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Ein Gespräch am Tag danach im Speisewagen eines Rail Jet von Wiener Neustadt nach Wien: Es geht natürlich um Fußball, um Red Bull Salzburg, und wie tapfer diese Mannschaft am Donnerstag um den Einzug ins Endspiel der Europa League gerungen hat. Und natürlich war da "dieser Russe", der dann mit einem Fehlpfiff in den letzten Minuten alles zerstört hat. Wie konnte Schiedsrichter Sergej Karasew nur Eckball statt Abstoß pfeifen? Da hatten nicht nur er, sondern offenbar auch die russischen Tor- und Linienrichter Tomaten auf den Augen.
Nun ist es vielleicht nicht gerade ratsam, in einer solchen Debatte Partei für den Unparteiischen zu ergreifen - schon gar nicht, wenn das halbe Restaurant zuhört. Ein Versuch war es aber dennoch wert, schließlich war die Leistung von Karasew und Co. insgesamt so übel nicht. Denn dafür, wie sich Salzburg und Marseille im Vorfeld unisono vor dem Russen gefürchtet hatten, sorgte er doch für ein ausgewogenes und faires Spiel - und bewusst-unbewusst für ausgleichende Gerechtigkeit.
Eines sollte man bei allem Ärger nämlich nicht übersehen: Genau genommen hätte die Partie für Salzburg schon in der 87. Minute, als Duje Ćaleta-Car im eigenen Strafraum ein klares Handspiel verübte, vorbei sein können. Dass Karasew das nicht sah und den Gastgebern dadurch ein Strafstoß erspart blieb, war ein immenses Glück. Nur deswegen waren eine Verlängerung und folglich eine Fortsetzung dieses spannenden Fußballabends überhaupt erst möglich. Dafür kann und soll man dankbar sein. Im Rail Jet hat das nicht jeder so gesehen. Belohnt wurden wir, die wir sonst so gern ins Smartphone starren, an dem Tag dennoch: mit einem guten Gespräch über Fußball.