Zum Hauptinhalt springen

Salzburger Desaster wird zum Spuk

Von Reinhard Göweil

Politik

Landesregierung bleibt vorsichtig.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

In Salzburg wurde immer Geld gemacht, in der Vergangenheit wie in der Gegenwart.
© Stefan (Duke) - Creative Commons 3.0

Wien/Salzburg. "Jeder, der sagt, das Land sei aus diesen Spekulationen mit einem blauen Auge davongekommen, stellt sich nicht der Wirklichkeit", sagte jüngst Meinrad Lukas, Finanzexperte der Uni Linz im Salzburger Landtag. Lukas glaubt, dass die Gesamtbilanz "nicht positiv" ausfallen werde. Ebenfalls anwesend: Der neue Finanzlandesrat Christian Stöckl (ÖVP). Und der sitzt auf allen Informationen - und hielt sich mit Prognosen zurück. Vielmehr erneuerte er bereits bei Amtsantritt, so Salzburger Beamte zur "Wiener Zeitung", die Weisung, die Spekulationsgeschäfte so rasch als möglich zu beenden.

Eine weise Entscheidung, vor allem in Hinblick auf Papiere in türkischer Lira. Landeshauptmann Wilfried Haslauer dürfte vermutlich derzeit zufriedener sein als manche Mitglieder des Salzburger Landtags, zu denen Lukas sprach. Als frisch gebackener Landeschef hat er im Moment bei den Salzburger Festspielen viel zu tun - eine gute Gelegenheit für Regionalpolitiker, sich über das Land hinaus Gehör zu verschaffen. Noch zufriedener kann er aber mit dem Fortgang des "Salzburger Finanzskandals" sein.

Ende September - so die frohe Kunde - wird dieser Skandal der Vergangenheit angehören. Das berühmte "Schatten-Portfolio" wird rascher als erwartet aus der Welt geschafft. Damit werden dann binnen neun Monaten mehr als 1,5 Milliarden Euro Verbindlichkeiten, die schwer auf den Schulden des Landes Salzburg lasteten, abgebaut sein. Der aktuelle Stand liegt bei mehr als 90 Prozent davon.

Damit entpuppt sich der Finanzskandal, der die SPÖ aus der Landesregierung gefegt und mit Gabi Burgstaller und David Brenner gleich zwei rote Hoffnungen unter sich begrub, als Spuk. Denn - wie die WZ bereits berichtete und was dem Landtag nun bestätigt wurde - am Ende wird Salzburg mit einem Plus von wenigstens 80 Millionen Euro aussteigen, und das noch dazu viel früher als gedacht. Auf 18 Monate, also bis Mitte 2014, war der Abbauplan der Investmentfirma Ithuba ausgelegt, die noch von Finanzlandesrat David Brenner (SPÖ) beauftragt worden war. Nach der Wahl im Mai gelang der Salzburger ÖVP - mithilfe der Grünen - der Machtwechsel.

Damit ist nun Wilfried Haslauer, der zwar das schlechteste Ergebnis für die Schwarzen seit 1945 einfuhr, am Höhepunkt seiner politischen Karriere. Ab Oktober 2013 ist er Landeshauptmann eines Bundeslandes mit 874 Millionen Euro Schulden - angesichts eines jährlichen Budgets von 2,3 Milliarden Euro eine handhabbare Größe.

Ohne Abwicklungen 150 Millionen Verlust

Der neue Finanzlandesrat Stöckl wollte es genau wissen und hat in Auftrag gegeben auszurechnen, mit welchem Verlust das Land ausgestiegen wäre, wenn das "Schatten-Portfolio" der Referatsleiterin Monika Rathgeber seit Anfang Dezember 2012 nicht verändert worden wäre. Das Ergebnis, das aus Salzburger Kreisen der WZ zugespielt wurde: Das Land hätte bis jetzt einen Verlust in Höhe von 150 Millionen Euro hinnehmen müssen. Das ist zwar noch meilenweit von den 340 Millionen Euro Verlustrisiko weg, die Monika Rathgeber als zuständige Beamtin ihrem damaligen Polit-Boss Brenner nannte, aber doch eine erkleckliche Summe.

Die von Rathgeber ursprünglich genannte Summe konnte übrigens zu keinem Zeitpunkt nachvollzogen werden, wie schon im Untersuchungsausschuss herauskam. Der damalige Finanzlandesrat David Brenner sagte, dass diese Zahl ausschließlich von der Beamtin selbst kam. Auch der mittlerweile pensionierte Chef von Rathgeber, Eduard Paulus, wusste es nicht besser. "Aggressives Desinteresse" an deren Geschäften wird der früheren SP/VP-Landesregierung mittlerweile nachgesagt. Die von Rathgeber Ende November genannte Zahl führte zu Panik, Brenner ging damit in die Öffentlichkeit, Mitte Dezember kam der Neuwahlantrag der ÖVP.

Türkische Lira und Salzburger Hypo

Die Entwicklung der Finanzmärkte bis Mai ermöglichten den lukrativen Ausstieg aus den Spekulationspapieren. So steckte das Land - großteils über Vermittlung der Salzburger Hypo - mit mehr als 400 Millionen Euro in komplexen Türkische-Lira-Veranlagungen. Die wurden mittlerweile gänzlich verkauft, eine goldrichtige Entscheidung, wie sich nachträglich heraus stellte. Denn mit den nun aufgetauchten Problemen der "emerging markets" und den Protesten in Istanbul gingen auch türkische Wertpapiere auf Tauchfahrt. Für manche Hochrisiko-Papiere vom Bosporus würde es im Moment sogar gar keine Käufer geben, sagten Investmentbanker zur "Wiener Zeitung".

Auch für die Salzburger Hypo, die noch zu 10 Prozent im Besitz des Landes steht (90 Prozent gingen an die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich), ein Glücksfall. Da keine Verluste aufgetreten sind, wird es wohl auch keine Schadenersatzforderungen geben.

Landeshauptmann Haslauer, bis 2009 im Aufsichtsratspräsidium der Hypo, rechnet in Interviews persönlich noch mit Verlusten aus den Spekulationsgeschäften. Da mit dem vollständigen Verkauf der Papiere auch die dahinter stehenden Verbindlichkeiten abgedeckt sind, reduziert sich der aktuelle Schuldenstand des Landes allerdings auf 870 Millionen Euro. Ob von diesem Betrag in der Vergangenheit etwas für den Kauf von solchen Papieren ausgegeben wurde, wird von Budgetexperten - unter Zusicherung von Anonymität - eher bezweifelt. Ein Schuldenstand in dieser Größenordnung sei im Vergleich "normal".

Bis 2016 hat die schwarz-grüne Regierung nun Zeit, ein ausgeglichenes Budget zustande zu bringen. Im heurigen Budget sind für eventuelle Verluste aus den Spekulationsgeschäften 35 Millionen Euro budgetiert - das Geld wird nicht benötigt und kann politisch als "Einsparungserfolg" verkauft werden. Dazu gehört auch die neue politische Aufregung um den Katastrophenfonds, bei dem es um Differenzen in Höhe von 1,5 Millionen Euro geht. Möglich, dass diese Beträge falsch abgerechnet wurden, sagen Experten zur "Wiener Zeitung". In Relation zum Milliarden-Volumen der Spekulations-Geschäfte ist das aber eine "Quantité négligeable" .

Stabilitätspakt statt Spekulationserträge

Da aus den Spekulationsgeschäften in den vergangenen Jahren zwischen 13 und 20 Millionen Euro jährlich ins Budget flossen, ist allerdings dieser Betrag nachhaltig einzusparen. Ab 2017 - so der innerösterreichische Stabilitätspakt - soll es sogar Überschüsse in den Ländern geben, um deren Schuldenstand zu reduzieren. Damit könnte die Landesregierung sofort beginnen und die 80 Millionen Euro Gewinn aus den Spekulationsgeschäften bilanziell gegen bestehende Altschulden stellen.

Die abgewählte SPÖ in Salzburg kann dem nur noch aus der Oppositionsrolle zuschauen. Sie hat zwar den Vorsitz im Finanzüberwachungsausschuss, ist aber vollauf damit beschäftigt, ihre politischen Wunden zu lecken. Ausgerechnet der von ihr eingesetzte Experte Meinrad Lukas beklagte jüngst vor dem Salzburger Landtag, "das Land ist ein hochrangig beliebter Schuldner". Dieser Satz wäre in anderen EU-Ländern ein Adelstitel.

350 Millionen Verlust?
Am Donnerstag kursierten auch "Annäherungen" wonach das Land 350 Millionen Euro Verluste mit Geschäften machte – VP-Finanzreferent Christian Stöckl nannte diese Zahl.
Diese ist jedoch nicht nachvollziehbar und wird von Experten als "politisch motiviert" bezeichnet. Auch Stöckl wies darauf hin, dass es ohne eine "forensische Aufarbeitung" – also einer Analyse jedes einzelnen Geschäfts – nur Vermutungen gebe, wo Verluste gemacht wurden.
Auch der Salzburger SPÖ-Vorsitzende Walter Steidl bezweifelte diese Schadenshöhe.