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Salzburger Kompromisssuche

Von Martyna Czarnowska aus Salzburg

Politik

EU müht sich händeringend um Brexit-Abkommen und einheitliche Linie zur Migrationspolitik.


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Salzburg Der Erste war Antonio Costa. Der portugiesische Premierminister eröffnete den Ankunftsreigen auf dem Salzburger Flughafen. Monate lang hatte sich die Landeshauptstadt auf das Großereignis EU-Gipfel vorbereitet; ab Mittwoch in der Früh reisten dann die Staats- und Regierungschefs aus 27 Ländern an. Was die Salzburger Landeskorrespondenz laufend und mit gewissem Stolz vermeldete. Sogar das Menü des Arbeitsessens der Spitzenpolitiker wurde in einer Aussendung festgehalten: Short Rib vom Rind, Ochsenherzparadeiser, Kukuruz und Bergwacholder sowie zum Nachtisch Kaiserschmarrn.

Weniger Freude mit der Veranstaltung, die heute, Donnerstag, fortgesetzt wird, dürfte so mancher Einwohner und Tourist haben. Teile des Mirabellgartens sind abgesperrt, einige Buslinien umgeleitet. Mehr als 1600 Polizisten sind im Einsatz. Mobilisiert waren ebenso etliche Organisationen. Das Bündnis Solidarisches Salzburg hatte zu einer Demonstration am Mittwochabend aufgerufen: Bei einem "Marsch der Verantwortung" sollte an die zehntausenden Menschen erinnert werden, die bei der Flucht nach Europa gestorben waren.

Zahl der Ankünfte gesunken

Das Thema Migration überlagerte nämlich auch bei dieser Zusammenkunft die anderen Debatten. Einer der Schwerpunkte ist dabei der verstärkte Schutz der EU-Außengrenzen, dem im Prinzip so gut wie alle Mitgliedstaaten zustimmen. Doch schon bei der Diskussion um die jüngsten Vorschläge der EU-Kommission zur Aufstockung der Grenzschutzagentur Frontex auf 10.000 Mitarbeiter zeigen sich wieder Risse in der Gemeinschaft. So kamen beispielsweise aus Ungarn Befürchtungen, dass die Frontex-Mission in nationale Souveränitätsrechte eingreifen könnte. Dennoch strebt Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz einen Beschluss für das erweiterte Mandat der Agentur bis Jahresende an.

Umstritten sind auch weitere Ideen, etwa zur Einrichtung von Flüchtlingslagern außerhalb der EU oder von Unterbringungszentren in der Union. Denn bisher hat sich kein Land bereiterklärt, eine der zwei Möglichkeiten auf seinem Territorium zu realisieren. Völlig unklar ist außerdem, wie die Asylwerber verteilt werden sollen: Ein Mechanismus dazu ist nicht in Sicht. Einige ost- und mitteleuropäische Staaten wehren sich vehement gegen die Aufnahme von Flüchtlingen.

Dabei ist die Zahl der Ankünfte deutlich gesunken. Darauf wies EU-Ratspräsident Donald Tusk hin, der die Sitzung in Salzburg leitete. Hat es 2015 noch gut eine Million "irreguläre Ankünfte" gegeben, liegt die Zahl heuer bei weniger als 100.000. Umso mehr sollten die Mitgliedstaaten an dauerhaften Konzepten für die Migrationspolitik interessiert sein, mahnte Tusk. "Wir dürfen nicht länger gespalten sein in solche, die das Problem lösen wollen, und solche, die dieses für ihre politischen Zwecke nutzen", sagte der Pole im Vorfeld des Spitzentreffens. Beschlüsse sollte es bei der Zusammenkunft dennoch keine geben, diese war nämlich als eine informelle angesetzt.

London muss nachbessern

Zu einem anderen Thema aber will Tusk sogar eine Sondersitzung der Staats- und Regierungschefs einberufen. Bei einem Gipfel Mitte November soll über den Brexit beraten werden, kündigte er an. Der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union beschäftigte die Politiker denn auch in Salzburg. Die Verhandlungen mit London würden nun in eine "entscheidende Phase" treten, erklärte Tusk. Einige Vorschläge der britischen Premierministerin Theresa May – wie zur Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheits- und Außenpolitik – seien positiv. Andere Überlegungen – etwa zur künftigen Wirtschaftskooperation oder einer Grenzlösung zwischen dem EU-Mitglied Irland und der britischen Provinz Nordirland – müssten noch "überarbeitet" werden.

Ginge es nach Tusk, würden die Verhandlungen noch im Herbst abgeschlossen werden. Der Optimismus ist aber gedämpft. "Heute gibt es vielleicht mehr Hoffnung, aber sicherlich wird die Zeit weniger und weniger", befand der Ratspräsident.

Das Thema hingegen, das Österreich als aktuelles EU-Ratsvorsitzland ursprünglich prominent auf die Agenda setzen wollte, geriet beim Salzburg-Gipfel etwas in den Hintergrund. Es sollte nämlich nicht zuletzt um innere Sicherheit gehen. Eine Debatte dazu ist für Donnerstag geplant.