Gefahr: Sinken des Grundwasserspiegels. | Salz soll Pflanzenwuchs hemmen. | Apetlon/Wien. Sie sind einzigartig für Mitteleuropa und die meisten von ihnen sind mehr als 20.000 Jahre alt. Durchschnittlich nur etwa 50 Zentimeter tief, ist ihr Wasser so salzig, dass an den Ufern Pflanzen wachsen, die normalerweise nur an Meeresküsten zu finden sind. Die Rede ist von den Salzlacken des Seewinkels im Burgenland.
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Obwohl tausende Jahre alt, sind sie nun zunehmend in ihrer Existenz bedroht. In den letzten hundert Jahren sind mehr als zwei Drittel verlandet, also trocken gefallen und mit Vegetation zugewachsen. Heute gibt es nur noch 35 dieser Miniatur-Salzseen.
Bitte noch nachsalzen
Chemiker und Biologen aus Wien haben vor drei Jahren begonnen, in einem groß angelegten Renaturierungsprojekt gezielt Maßnahmen gegen das Lackensterben zu testen. So wurden am Montag wie schon mehrmals zuvor 23 Tonnen Salz an der "Kleinen Martinhoflacke" bei Apetlon auf die Vegetation aufgebracht. Ein Viertel der zwei Hektar großen Fläche wurde mit einer Mischung aus Soda und Natriumsulfat bedeckt. Was auf den ersten Blick wie ein Schildbürgerstreich anmutet, macht durchaus Sinn:
"Damit wird das Pflanzenkleid zerstört. Im Juni sollte hier der ursprüngliche Lackenzustand erkennbar sein", erklärt Regina Krachler, die gemeinsam mit ihrem Mann Rudolf das Projekt als Chemikerin betreut. Ein erster Schritt, um die Lacken zu renaturieren. Für den Fortbestand müssten zusätzlich Maßnahmen ergriffen werden, wie etwa das Rückstauen der Entwässerungsgräben, um den Grundwasserspiegel anzuheben, so Krachler.
"Gesunde Lacken" haben Verbindung zum Grundwasser und können über einen Ventileffekt die Salze des Bodens mit dem Wasser aus der Tiefe nach oben ziehen. Die in der Lacke gelösten Salze sind in weiterer Folge dafür verantwortlich, dass die Pflanzen nicht in die seichte Lacke einwachsen können. Zusätzlich bereitet das Salz ein ideales Milieu für bestimmte Mikroorganismen, die durch chemische Reaktionen die Lacken nach unten hin abdichten. So überstanden die Gewässer trotz geringer Tiefe zehntausende Jahre.
Der Grund für das Verschwinden dieser Lebensräume im letzten Jahrhundert geht hauptsächlich auf das zwischen 1900 und 1960 großräumig angelegte Kanalnetz im Seewinkel zurück. Mit der Drainagierung der Feuchtwiesen wurde auch das Salz oberflächlich ausgewaschen, zusätzlich begann der Grundwasserspiegel zu sinken. Das hat zu unerwarteten Verschiebungen in der Chemie von Gewässern und Sedimenten geführt - mit gravierenden Folgen für das Ökosystem der Salzlacken.
Lacken schützenswert
Immer mehr Lacken wurden und werden mehr oder weniger zu Wiesenflächen. "Die sind vielleicht auch etwas Schönes, aber die Sodalacken sind etwas ganz Besonderes. Sonst kommen sie nur in trockenen Klimazonen vor", erläutert Alois Herzig, wissenschaftlicher Leiter des Nationalparks Neusiedler See-Seewinkel.
In den Gewässern leben Kleinorganismen, die mit der hohen Salzkonzentration zurechtkommen. Diese Spezialisten wiederum bilden die Nahrungsgrundlage für abertausende Zugvögel, die auf ihrer langen Reise Station im Seewinkel machen. "Deswegen sind die Lacken auch besonders schützenswert und Teil des Nationalparks", erklärt Herzig. Das Projekt hat für ihn großen Stellenwert, weil es ein Versuch ist, den Urzustand wiederherzustellen.
Allerdings wird dafür noch viel Zeit, Arbeit und Geld nötig sein. Alexander Kirschner, Mikrobiologe und Projektleiter, spricht von einer Gesamtsumme von 85.000 Euro, zu gleichen Teilen von Land und EU finanziert, für die nun auslaufende Studie.
Er will sich um ein Folgeprojekt bemühen: "Ziel ist es, gemeinsam mit der burgenländischen Landesregierung in den nächsten Jahren ein Wasserwirtschaftskonzept zu erarbeiten, um den Grundwasserspiegel zu heben." Fakt ist, dass die Lacken im Seewinkel zwar mit dem Nachsalzen ihre Ursprünglichkeit wiedererlangen. Bestehen bleiben werden die Kleingewässer jedoch nur, wenn der ursprüngliche Grundwasserstand erreicht wird.