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Samaras kämpft an allen Fronten

Von WZ-Korrespondent Gerd Höhler

Politik

Fraktionsvize droht mit deutschem Veto für weitere Hilfsgelder.


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Athen. (n-ost) Für Alexis Tsipras, den Chef des Bündnisses der radikalen Linken (Syriza), ist die vor fünf Wochen gebildete griechische Regierung schon gescheitert. Der Athener Oppositionschef verspottet den konservativen Ministerpräsidenten Antonis Samaras und seine beiden Koalitionspartner als "Triumvirat der Drachme". Dabei hatte Samaras die Wahl im Juni gerade mit dem Versprechen gewonnen, Griechenland in der Euro-Zone zu halten. Jetzt muss der Premier seine Landsleute allerdings davon überzeugen, dass dafür weitere Opfer nötig sind. Dabei muss sich Samaras nicht nur der Kritik der Opposition im eigenen Land erwehren und viel Überzeugungsarbeit in den Reihen der Koalitionspartner leisten - Störfeuer kommt zunehmend auch von außen, vor allem aus Deutschland.

Mal legt Wirtschaftsminister Philipp Rösler den Griechen den Austritt aus dem Euro nahe, mal fordert Bayerns Finanzminister Markus Söder, an den Hellenen "ein Exempel zu statuieren". Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs will den Griechen den Geldhahn zudrehen, und der Wirtschaftsprofessor Hans-Werner Sinn rechnet vor, dass es für die Deutschen billiger käme, Griechenland aus dem Euro hinauszukomplimentieren als es weiter zu unterstützen.

Den Griechen kommt es so vor, als solle ihr Land sturmreif geschossen werden. Viele hören deshalb gar nicht mehr hin. Auch Ministerpräsident Samaras versucht, dem Trommelfeuer keine Beachtung zu schenken. Manchmal reißt ihm aber doch der Geduldsfaden: "Während wir uns bemühen, das Land auf den richtigen Weg zurückzuführen, setzen diese Leute alles in Bewegung, damit wir scheitern", rügte er kürzlich in einer Fraktionssitzung seiner Nea Dimokratia (ND). Wer "diese Leute" sind, sagte Samaras nicht, doch es war klar, wen er meinte.

Vor der Wahl hatten deutsche Regierungspolitiker wie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble die Griechen eindringlich gemahnt, pro-europäisch zu wählen. Das taten sie. Aber nun muss es Samaras so vorkommen, als versuche gerade die deutsche Regierung, ihm Knüppel zwischen die Beine zu werfen. "Wir machen uns keine Illusionen", sagt ein Athener Regierungspolitiker, "es gibt starke Kräfte, die alles daransetzen, uns aus der Währungsunion zu drängen." Der Ton, in dem das geschieht, wird mitunter in Griechenland als herablassend, verletzend empfunden - wenn etwa der Bayer Söder den Griechen sagt, es sei für sie jetzt Zeit, "bei Mama auszuziehen".

Heikles Tête-à-tête

Man versuche, solche Ausrutscher zu überhören, heißt es in der Umgebung des griechischen Premiers. Samaras gibt sich umso entschlossener. Er weiß: Versprechen zählen nichts mehr. Griechenland ist mit den meisten Reformen weit im Rückstand, die Geduld der Geldgeber erschöpft. Athen müsse jetzt "liefern, liefern, liefern", mahnt EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Ob es weitere Hilfsgelder gibt, hängt vom Urteil der Troika ab. Sie kommt Anfang September nach Athen zurück. Spätestens bis dahin muss Samaras das Sparpaket geschnürt haben. Es geht um ein Konsolidierungsvolumen von 11,5 Milliarden Euro in den Jahren 2013 und 2014, was 5,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht. Das ist eine Herkulesaufgabe, vor allem vor dem Hintergrund der schweren Rezession, die Griechenlands Wirtschaftsleistung seit 2009 bereits um fast ein Fünftel dezimiert hat. Im zweiten Quartal schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt erneut um 6,2 Prozent zum Vorjahresquartal, so die jüngsten Konjunkturdaten vom Montag.

Samaras steht vor einem Dilemma: Einerseits muss er die Sparvorgaben erfüllen, gegen die es nicht nur Widerstand in der Bevölkerung, sondern auch bei seinen beiden linken Koalitionspartnern gibt. Zugleich muss er die Wirtschaft ankurbeln, damit sich das Land nicht zu Tode spart. Dabei steht der Athener Premier unter einem extremen Zeitdruck, nicht nur wegen der bevorstehenden Inspektion der Troika. Am 24. August wird Samaras in Berlin von Angela Merkel im Kanzleramt erwartet, tags darauf empfängt François Hollande den Griechen im Pariser Élysée-Palast. In Hollande sehe man einen "Verbündeten", zitierte die Athener Sonntagszeitung "To Vima" aus Regierungskreisen. Der Besuch in Berlin dürfte dagegen für Samaras schwieriger werden. Merkel billigt offenbar die harsche Griechenlandschelte der Koalitionspolitiker, jedenfalls hat sie bisher nicht widersprochen. Samaras weiß: Er kann nicht mit leeren Händen ins Kanzleramt kommen.

Der Premier macht deshalb jetzt Druck bei den Privatisierungen, lässt überflüssige Behörden auflösen und will unnachsichtig gegen Korruption im Staatsapparat vorgehen. Ob das reicht, um die "eiserne Kanzlerin", wie Merkel in Griechenland genannt wird, zu überzeugen, bleibt abzuwarten. Vom Besuch in Berlin hänge jedenfalls viel ab, glauben Analysten in Athen - vielleicht sogar das Schicksal der Regierung Samaras und die Zukunft Griechenlands in der Währungsunion.