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Waffenfunde bei Nikos Michaloliakos, dem Parteichef der rechtsextremen Goldenen Morgenröte
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Athen. Das Treffen fand in einem New Yorker Hotel statt, das Ergebnis der Konsultationen stand rasch fest: keine (vorgezogenen) Neuwahlen. Und: die Verhinderung, falls verfassungsrechtlich möglich, von Nachwahlen in 15 Wahlkreisen, die aus einem seit Tagen kolportierten Rücktritt der 18 Abgeordneten der rechtsextremen Goldenen Morgenröte resultieren könnten.
Griechenlands konservativer Premierminister Antonis Samaras und Außenminister Evangelos Venizelos von den mitregierenden Pasok-Sozialisten waren am Rande der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York mit dramatischen Entwicklungen in ihrem Land beschäftigt. Während Samaras am Samstagnachmittag von Athen zu der schon seit geraumer Zeit geplanten Visite in die USA abgereist war, um unter anderem Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds, seit dem Frühjahr 2010 einer der Kreditgeber von Griechenland, zu treffen, weilte Venizelos in Hellas’ Diensten anlässlich des UN-Treffens in New York.
Das Dogma, auf das sich die beiden Athener Koalitionäre mit Blick auf das harte Durchgreifen gegen die rechtsextreme Goldene Morgenröte verständigten, lautet: "Oberste Priorität hat die Wahrung der politischen Stabilität im Lande." Damit erstickte das Gespann Samaras und Venizelos in Athen zuletzt kursierende Erwartungen im Keim, wonach ein neuerlicher Urnengang womöglich noch bis Ende des Jahres ernsthaft von der Regierung geprüft werde.
Ab Samstagmorgen hatten sich zu Füßen der Akropolis die Ereignisse um die Goldene Morgenröte überschlagen. Lediglich zehn Tage hatte der Athener Staatsanwalt Charalambos Vourliotis nach dem offenbar politisch motivierten Mord an dem linksgerichteten Musiker Pavlos Fyssas, mit dem die Goldene Morgenröte in Verbindung gebracht wird, gebraucht, um einen 9-seitigen Ermittlungsbericht in der Causa Goldene Morgenröte zu erstellen. Demnach sei die rechtsextreme Partei "seit 1987 bis heute eine kriminelle Organisation", die "streng nach dem Führer-Prinzip organisiert" sei, so das Fazit seiner Ermittlungen. Der Führer sei Parteichef Nikos Michaloliakos.
Wie die Mafia undnicht wie eine Partei
Die Anklagepunkte passen eher zu der Mafia als zu einer politischen Partei: Bildung einer kriminellen Organisation, Tötungsdelikte, versuchte Tötungsdelikte, schwere Körperverletzungen, Erpressungen, sogar Geldwäsche. Insgesamt 32 Haftbefehle hat die Athener Staatsanwaltschaft ausgestellt. Am Samstag wurden 20 Personen festgenommen. Neben dem Morgenröte-Quintett aus dem Parteivorsitzenden und Abgeordneten Nikos Michaloliakos, dem Abgeordneten und Parteisprecher Ilias Kasidiaris, den Parlamentariern Jannis Lagos, Nikos Michos und Ilias Panagiotaros sind noch 13 (nicht im Parlament vertretene) Partei-Funktionäre, darunter der lokale Parteiführer im südwestlichen Athener Arbeitervorort Nikäa, der dem Vernehmen nach in den Fyssas-Mord involviert ist, ein Polizist der Polizei-Einheit "Dias" und eine Polizistin aus Piräus, darunter. Der Abgeordnete und Rechtsanwalt Christos Pappas erschien am Sonntagmittag in der Athener Polizeidirektion - und wurde sofort verhaftet.
Um genau 18.59 Uhr Ortszeit am Samstag wurde das bis zu jenem Zeitpunkt festgenommene Morgenröte-Quintett bestehend aus Parteichef Michaloliakos und den Abgeordneten Kasidiaris, Lagos, Michos und Panagiotaros unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen von der Polizei in das nur wenige hundert Meter entfernte Gebäude 16 der Athener Justizbehörden gebracht. Die Rechtsextremen wurden dort dem Staatsanwalt vorgeführt - und landeten hinter Gittern. Michaloliakos, in Handschellen, eine schwarze Aktentasche tragend, schrie: "Nichts kann uns beugen! Nichts kann uns Angst machen!" Er wirkte sichtlich zermürbt.
Seit dem Samstagmorgen ist in ganz Hellas eine groß angelegte Polizeiaktion gegen die Goldene Morgenröte im Gange. Bei Durchsuchungen in Parteibüros und Privatwohnungen ist bereits umfangreiches Beweismaterial sichergestellt worden. In Michaloliakos’ Privatanwesen fanden die Behörden drei Schusswaffen, darunter ein Jagdgewehr, ohne die erforderlichen Waffenlizenzen, Kugeln, 43.100 Euro in bar, einen Computer und ein USB-Stick.
Die Athener Presse jubelte in ihren Sonntagsausgaben über die Festnahmen der Rechtsextremen. "Die Demokratie fegt die Neonazis weg", titelte die regierungsnahe "To Vima". "Die linksliberale "Eleftherotypia" meinte: "Handschellen für die sechs Köpfe des Monsters."
Die Athener Opposition sparte indes nicht mit Kritik an Samaras und Co. "Hätten sie früher auf uns gehört, wäre es womöglich nicht zum Mord an Fyssas gekommen", unterstrich Dimitris Papadimoulis, Fraktionssprecher von Griechenlands führender Oppositionspartei "Bündnis der Radikalen Linken" (Syriza).
Feststeht: Michaloliakos und Co. verlieren bis auf Weiteres weder ihre Immunität noch ihr Mandat im Athener Parlament. Denn auch hier gilt zunächst die Unschuldsvermutung. Erst wenn die Rechtsextremen rechtskräftig verurteilt oder ihnen die politischen Rechte entzogen werden, scheiden sie automatisch aus dem Parlament aus. Die Partei muss jedenfalls künftig ohne staatliche Parteienfinanzierung auskommen. Sie wird mit sofortiger Wirkung eingestellt.
Der Fraktionssprecher der Konservativen, Makis Voridis, kündigte an, dass die Regierung in den nächsten Tagen ein Anti-Rassismusgesetz in das Athener Parlament einbringen werde. Das betreffende Gesetzesvorhaben war erst im April auf Eis gelegt worden. Wer hatte damals maßgeblich dagegen Widerstand geleistet? Ausgerechnet die Samaras-Partei Nea Dimokratia.