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Samia Ghali fordert Armee für Marseilles Drogenkrieg

Von Alexander U. Mathé

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Eine Senatorin und Bezirksvorsteherin ist ohnmächtig angesichts der zunehmenden Militarisierung und Gewaltbereitschaft von Banden.


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Der Drogenkrieg ist für die Senatorin sichtbar außer Kontrolle: "Angesichts der Kriegsgeräte, die die Banden verwenden, kann nur noch die Armee helfen. Zuerst sollte sie die Dealer entwaffnen. Dann - wie in Kriegszeiten - mit Absperrungen den Weg zu den Vierteln für die Abnehmer blockieren", sagte Samia Ghali in einem Interview. Wer jetzt allerdings denkt, wir befänden uns in Mexiko, Kolumbien oder Afghanistan, irrt. Denn die Senatorin sitzt im französischen Parlament und ist gleichzeitig Vorsteherin des 15. und 16. Bezirks von Marseille. Auch wer glaubt, bei Ghali handle es sich um eine konservative Hardlinerin täuscht sich, denn die 44-Jährige ist Mitglied der regierenden Sozialistischen Partei.

Marseille hat bereits seit längerem ein Problem mit Gewalt im Drogenmilieu. Banden liefern einander blutige Auseinandersetzungen im Kampf um Macht und Einfluss. Allein heuer haben deshalb bereits 14 Menschen ihr Leben gelassen. Das jüngste Opfer war ein 25-Jähriger, der in der Nacht auf Donnerstag an einer Ampel in seinem Auto mit einer Salve aus einer Kalaschnikow regelrecht hingerichtet wurde.

Im Fokus stehen vor allem Ghalis Bezirke, die unter ihrer Ägide vom Innenministerium zu Zonen erklärt wurden, in denen Sicherheit Priorität hat. Doch die Polizei hat Ghalis Erfahrung zufolge keine Chance gegen die Drogenbanden. "Es bringt nicht einmal etwas, die CRS (Spezialeinheit der Polizei Anm.) zu entsenden, um die Dealer festzunehmen. Wenn zehn von ihnen verhaftet werden, machen zehn andere weiter", führt Ghali weiter in der Zeitung "La Provence" aus. Es sei, als versuche man, einen Ameisenhaufen zu bekämpfen. Die Behörden würden gar nicht ermessen, wie ernst die Situation sei.

Ändert sich nichts, fürchtet die Mutter von vier Kindern, dass in Marseille demnächst Zustände wie in den USA herrschen könnten, wo Gangs Kriege um Territorien führen, in denen das Gesetz längst nicht mehr gilt.

Innenminister Manuel Valls und Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian haben dem Ruf nach einem Einsatz von Soldaten umgehend eine Absage erteilt. Es gebe keinen "innerstaatlichen Feind", der dieses Vorgehen rechtfertigen würde. Doch bereits Ende nächste Woche soll eine aus mehreren Ministerien rekrutierte Kommission einen Aktionsplan für den Großraum Marseille ausarbeiten. Inzwischen hat Ghali ihre eigenen Pläne und fordert die Wiedereinführung des Wehrdienstes, um den Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, aus ihren Vierteln auszubrechen, "Disziplin zu lernen" und "ein anderes Universum kennenzulernen". Doch auch diese militärische Überlegung wird wohl nicht umgesetzt werden.