Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft kritisiert Islamgesetz und fordert andere Schritte gegen Radikalisierung.
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Wien. Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), Fuat Sanac, hat das Vorgehen der Regierung rund um den Entwurf zum Islamgesetz sowie den Entwurf selbst scharf kritisiert. Im Ö1-"Morgenjournal" sagte Sanac am Donnerstag, der Entwurf beinhalte Punkte, die vorher nicht so mit der IGGiÖ vereinbart gewesen seien und somit "ohne unsere Zustimmung" erfolgt seien.
Bei der Präsentation der Novelle im Bundeskanzleramt hatte Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ) noch betont, dem Entwurf seien intensive Gespräche mit den Vertretern der Musliminnen und Muslime in Österreich vorausgegangen. "Der gesamte Dialog war von sehr respektvollen Gesprächen geprägt." Die nun kritisierten Verschärfungen sollen danach eingeflossen sein. Die Regierung hatte den Gesetzesentwurf präsentiert, als Sanac gerade auf der Hadsch (Pilgerfahrt nach Mekka) in Saudi-Arabien war. Er habe gebeten, "nach 16 Jahren der Vorbereitung noch 16 Tage zu warten", bis er wieder in Österreich sei, beklagte er.
"Schöne Bescherung"
Schon der SPÖ-Gemeinderat Omar Al-Rawi hatte den "unsensiblen Zeitpunkt" und die "schöne Bescherung" kritisiert und meinte damit auch seinen Parteikollegen Ostermayer. Bei der Novelle waren Kanzleramtsminister Ostermayer sowie Integrationsminister und Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) federführend. Inhaltlich stößt Sanac besonders das Finanzierungsverbot religiöser Vereine aus dem Ausland sauer auf. Kurz betonte mehrmals, damit den Einfluss von Ländern wie Saudi-Arabien oder der Türkei auf Islam-Vereine in Österreich unterbinden und den österreichischen Islam stärken zu wollen. Sanac nennt das einen "naiven Vorschlag": "Man kann auch dort bezahlen und hier durch die Bankomatkarte sein Gehalt bekommen." Er warnte demnach auch vor diplomatischen Irritationen mit muslimischen Staaten - Irritationen, die Kurz in Integrationsfragen nicht scheut.
Zum Kampf gegen radikale Muslime in Österreich, der von der IGGiÖ erwartet werde, sagte Sanac: "Die Gesetze erlauben uns nicht, Vereine zu kontrollieren oder zu verbieten. Wenn wir diese Rechte gehabt hätten, hätten wir das auch getan." Sanac fordert deswegen eine Änderung des Vereinsgesetzes: Die Gründung eines Islam-affinen Vereins sollte künftig der Zustimmung der Glaubensgemeinschaft bedürfen.
Zur ursprünglich geplanten einheitlichen Koran-Übersetzung auf Deutsch erklärte Sanac, man werde an den Schulen den teilweise übersetzten Koran als Schulbuch verteilen, das "heißt aber nicht, dass andere Übersetzungen verboten werden dürfen".
Balkankonferenz
Am Freitag und Samstag bringt die Islamische Glaubensgemeinschaft höchste Vertreter des Islam aus der Balkanregion im Wiener Hilton zusammen. Dabei können Kurz und Sanac am Rande über das Islamgesetze disputieren. Unter den ausländischen Gästen wird der Präsident der türkischen Religionsbehörde Diyanet, Mehmet Görmez, anreisen. Auch sie spielt eine Rolle im Islamgesetz, unterstehen ihr doch 65 türkische Atib-Vereine samt Finanzierung der Imame. Diese Finanzierung würde die Regierung mit dem Islamgesetz kappen. An der Eröffnung der Konferenz wird außerdem Bundespräsident Heinz Fischer teilnehmen.
Weiters unter den Gästen sind mehrere Großmuftis aus der Region. Zentrales Thema der Konferenz soll ein Austausch über die Situation der Muslime am Balkan sein, auch um Kooperationsmöglichkeiten auszuloten, sagt IGGiÖ-Sprecherin Carla Amina Baghajati. Allerdings habe das Treffen durch die IS-Kämpfe im Irak und Syrien neue Aktualität gewonnen. Deshalb rückten etwa Aufklärung und Prävention in den Fokus der Tagung, aber auch Gespräche über die Stimmung gegenüber Muslimen.
Balkanbrigade
In Nordsyrien kämpft eine eigene "Balkanbrigade" auf der Seite des "Islamischen Staates", die sich aus bosnischen, albanischen, mazedonischen und kosovarischen Kämpfern zusammensetzt. Auch Österreich soll hier als Rekrutierungsort für bosnische Extremisten dienen. Eine Moschee in Wien steht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes.
Im jugoslawischen Bürgerkrieg verstärkten saudische Wahhabiten (Anhänger einer puritanisch-traditionalistischen Richtung des sunnitischen Islams) die Abwehrfront gegen die Serben und verbreiteten ihr extremes Gedankengut in dem liberalmuslimischen Land. Nach Kriegsende übernahmen die Saudis den Bau neuer Moscheen und vergrößerten dadurch ihren Einfluss.