EU-Kandidat Kroatien sammelt Pluspunkte in Brüssel.
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Zagreb. Kriegsprofite, Machtmissbrauch, Bestechungsgelder - großangelegte Korruption wurde dem kroatischen Ex-Premier Ivo Sanader zur Last gelegt. Nach mehr als einem Jahr vor Gericht wurde Sanader am Dienstag ins Gefängnis geschickt. Das Urteil lautete (nicht rechtskräftig) auf zehn Jahre Haft in den Fällen "Hypo" und "Ina-Mol". Das Strafmaß wäre eigentlich elf Jahre, doch ein Jahr davon saß Sanader schon in der U-Haft ab. Vor dem Gericht demonstrierten Bürger mit einem Transparent: "Jede Strafe für Sanader ist zu mild". Vom ehemals mächtigsten Mann im Land ist Sanader in der Bevölkerung zum Inbegriff des korrupten Politikers geworden.
Für den vorsitzenden Richter Ivan Turudic gab es keinen Zweifel an Sanaders Schuld: "Sie, Herr Sanader, waren Architekt eines Systems, in dem nur die Entscheidungen getroffen wurden, die Sie wollten", sagte der Richter in der Urteilserklärung. "Als Ministerpräsident der Republik Kroatien haben Sie dem Ansehen des Staates in der Welt geschadet."
Siebeneinhalb Jahre Haft bekam Sanader wegen Annahme von Bestechungsgeldern in Höhe von zehn Millionen Euro vom ungarischen Energiekonzern Mol: Die kroatische Regierung änderte den Aktionärsvertrag zwischen Ina und Mol dahingehend, dass verlustreiche Geschäfte der Ina an den kroatischen Staat ausgelagert wurden, während die Ungarn die Führung übernahmen, ohne formell Mehrheitseigentümer zu sein. "Verrat von Landesinteressen" nannte das der Richter.
Dreieinhalb Jahre Haft gab es für den Fall "Hypo": Sanader wurde als Kriegsprofiteur schuldig gesprochen. Mitte der 90er Jahre, als sich das Land im Krieg befand, nahm Kroatien einen Kredit bei der damals noch unbekannten österreichischen Provinzbank auf, die sich später als Hypo Alpe Adria Bank auf dem gesamten Balkan niederlassen sollte. Sanader kassierte laut Urteil umgerechnet eine halbe Million Euro. Dieses Geld muss Sanader nun innerhalb von 15 Tagen zurückzahlen. Sanader verhandelte damals mit den Österreichern, da der heute 59-jährige Sanader perfekt Deutsch sprach, nachdem er in den 80er Jahren in Innsbruck studiert hatte und danach als Unternehmer tätig gewesen war. 1991 kehrte er nach Kroatien zurück und arbeitete sich, auch aufgrund seiner Kontakte, unter anderem zur österreichischen Politik, rasch nach oben. In den Kriegsjahren war er Vize-Außenminister, später Büroleiter von Staatsgründer Franjo Tudjman. Nach Tudjmans Tod und Abwahl der mächtigen Regierungspartei HDZ 2000, reformierte er die HDZ und wurde 2003 Premier.
Als Regierungschef startete er die Verhandlungen mit der EU, lieferte den damals flüchtigen und heute freigesprochenen Ex-General Ante Gotovina an das UNO-Tribunal in Den Haag aus und rief den "Kampf gegen Korruption" aus. Gestartet hat ihn jedoch nicht Sanader, sondern Jadranka Kosor, die ihm an der Regierungsspitze nachfolgte, als dieser im Juli 2009 überraschend zurücktrat.
Kroatien erbrachte mit dem Urteil nun den Beweis an Brüssel, dass der Kampf gegen Korruption auch auf höchster Ebene stattfindet. "Es gibt keine Unantastbaren", ist das Mantra der kroatischen Politik in Sachen Korruptionsbekämpfung. Aus der EU-Kommission jedenfalls wurde gestern Zufriedenheit signalisiert.