Yoani Sánchez schreibt wieder. Ihr Internet-Tagebuch zu führen, war für die Philologin aus Kuba nie einfach. | Die Schwierigkeiten liegen unter anderem an technischen Gegebenheiten. Auf 100 Einwohner kommen in Kuba 4,5 Computer, von denen die meisten in öffentlichen Einrichtungen stehen. Nur zehn Prozent der Bevölkerung hat laut CIA Zugang zum Internet.
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Zudem betraf das US-Embargo gegen die Karibik-Insel bis April 2009 auch die Internetverbindungen. Einen Anschluss an das US-Netz und somit eine schnelle Anbindung zum World Wide Web gibt es somit nicht. Die Verbindung ist derzeit lediglich über Satellit möglich, an einer Glasfaserkabelverbindung zwischen Venezuela und Kuba wird noch gearbeitet.
Die Schwierigkeiten liegen aber auch an dem, was Sánchez schreibt: Regierungskritische Texte. Das sieht die kommunistische Führung in Havanna nicht unbedingt gerne, zumal die 34-Jährige damit Furore macht. Quer über den Globus wurde sie ausgezeichnet: Mit dem spanischen Journalistenpreis "Ortega y Gasset", mit dem Weblog-Award The BOBs der Deutschen Welle, mit dem Maria Moors Cabot Prize der New Yorker Columbia University. Das "Time"-Magazin hat sie 2008 sogar zu den 100 einflussreichsten Menschen der Welt gezählt. Aufmerksamkeit, die manch einen auf Kuba störte.
Die Behörden ließen sie nicht mehr ausreisen, wodurch sie keinen der Preise persönlich übernehmen konnte. Ihr Internet-Blog wurde für Kuba gesperrt. Seitdem kann auch Sánchez selbst nicht mehr darauf zugreifen. Das erschwert die ohnehin schon aufwändige Aktualisierung ihres Tagebuchs zusätzlich. Bisher hatte sie die Texte zu Hause geschrieben, auf einem USB-Stick gespeichert und als spanische Touristin getarnt in einem Hotel auf ihre Seite hochgeladen. Jetzt versendet sie ihre Texte an Freunde im Ausland, die die Einträge online stellen.
Die Angriffe auf die Mutter eines 12-jährigen Sohnes sollten sich nicht nur auf den virtuellen Raum beschränken. Im November berichtete sie, mitten in der Hauptstadt von einer Patrouille verprügelt worden zu sein. Passanten wurden vor Hilfeleistungen gewarnt: Es handle sich um eine Konterrevolutionärin.
Von all diesen Widrigkeiten ließ sich Sánchez nie beirren. Hartnäckig führte sie ihren Blog weiter. Doch letzte Woche schien es, als könne sie nicht mehr. "Es fällt mir nichts ein. Diese vergangenen Tage waren zu heftig", schrieb sie, nachdem sie zusammen mit 126 weiteren Kubanern kurzfristig verhaftet worden war. Sie waren zu einer Trauerfeier für Orlando Zapata zusammengekommen. Der war 2003 unter anderem wegen Herabwürdigung des Staates zu 36 Jahren Gefängnis verurteilt worden und starb in einem Hungerstreik gegen seine Haftbedingungen. "Schläge, Gewalt, ein nach Urin stinkender Kerker", beschrieb Sánchez die Festnahme.
Diese Woche fand sie wieder Worte für ihre Situation, doch ermutigend klingen sie nicht: "Durch das Fenster macht dir eine Stimme Vorwürfe, dass du nicht geschwiegen hast, dich nicht ein wenig verstellt hast… nicht die Maske getragen hast, um reisen zu können. Du wirst das Licht nicht eher wieder sehen können, bis der ganze Kerker in sich zusammengebrochen ist!"
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