Bei den US-Demokraten herrscht im Vorwahlkampf Gedränge am linken Flügel: Bernie Sanders und Elizabeth Warren kämpfen hier um Stimmen. Das könnte dem moderaten Ex-Vizepräsidenten Joe Biden in die Hände spielen.
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Eine Diskussion über seinen Gesundheitszustand wollte Bernie Sanders erst gar nicht aufkommen lassen. "Ich bin gesund, ich fühle mich großartig", verkündete der Senator aus Vermont bei der Vorwahldebatte der Demokraten, um dann gleich wieder von seinen Lieblingsthemen - etwa eine höhere Besteuerung der Reichen und der Großkonzerne oder eine allgemeine Krankenversicherung - zu sprechen.
Nicht weniger als zwölf Kandidaten, die bei der Präsidentenwahl im kommenden Jahr für die Demokraten ins Rennen gehen wollen, stellten sich der zweieinhalbstündigen Debatte in der Otterbein University in Ohio. Und es hatte einen guten Grund, warum Sanders zu seiner Gesundheit befragt wurde. Der 78-Jährige, der in seiner Jugend ein herausragender Basketballer und Leichtathlet war, hatte vor zwei Wochen einen Herzinfarkt erlitten. Und das hat ihn Zustimmungswerte gekostet, offenbar sorgen sich viele Wähler, ob Sanders fit genug für eine vierjährige Amtszeit ist. Die jüngsten Umfragen vor der TV-Debatte sahen Sanders bei lediglich 15 Prozent Zustimmung, während der frühere Vizepräsident Joe Biden und Elizabeth Warren bei mehr als 20 Prozent lagen.
Sanders musste also bei diesem TV-Duell punkten, um nicht den Anschluss zu verlieren. Und tatsächlich war ihm nichts mehr von seinen Herzproblemen anzumerken, der selbsternannte "demokratische Sozialist" nahm leidenschaftlich an der Diskussion teil. Sanders warf dabei immer wieder mit Zahlen um sich - die Erneuerung der seiner Meinung nach "kollabierenden" US-Infrastruktur könnte 15 Millionen Bürger beschäftigen, und sein "grüner Deal", den er angesichts des Klimawandels vorgeschlagen hat, könnte bis zu 20 Millionen Arbeitsplätze bringen.
Zudem hielt er moralische Appelle, betonte, dass es schändlich sei, wie die USA ihre Armen zurücklassen. Und bezüglich der Reform im Gesundheitswesen sagte er: "Es geht einfach nur darum, ob wir den Mut haben, uns mit der Pharmaindustrie anzulegen."
Vor rund vier Jahren, als er im Vorwahlkampf Hillary Clinton forderte, war Sanders noch der Leuchtstern des linken Flügels der Demokraten. Doch diesmal droht ihm Elizabeth Warren den Rang abzulaufen.
Warren liegt in manchen Umfragen bereits auf Platz eins
Die Tochter eines Hausmeisters und eine Versandhausmitarbeiterin, die es bis zur Universitätsprofessorin brachte, unterscheidet sich in vielen Positionen nur in Details von Sanders. Auch sie spricht sich für eine allgemeine, staatliche Krankenversicherung aus, auch sie will Studiengebühren abschaffen. "Ich habe einen Plan" ist zum Leitspruch ihrer Kampagne geworden, und die 70-Jährige hat zu verschiedensten Themen ihr Konzept vorgelegt: Sei es für eine Steuerreform - sie will Wohlhabende tiefer in die Tasche greifen lassen. Sei es für einen "verantwortungsvollen Kapitalismus", bei dem die Belegschaft über die Besetzung des Managements mitbestimmt.
Dass sie Umfragen teilweise schon auf Platz eins sehen, machte Warren zur größten Zielscheibe von Angriffen bei der Debatte. Der dem moderaten Lager zugerechnete Pete Buttigieg, Bürgermeister der Stadt South Bend in Indiana, warf ihr vor, dass sie mit ihren Krankenversicherungsplänen ein "Multibillionendollar-Loch" in den Haushalt reißen würde, ohne zu sagen, wie sie das finanzieren wolle. Allzu konkret wurde Warren bei ihrer Antwort nicht, sie betonte aber nochmals "ihre Prinzipien": "Die Wohlhabenden und die großen Konzerne müssen höhere Kosten tragen, während sie sich für hart arbeitende Familien senken werden."
Dass mit Warren und Sanders - der angeblich demnächst die Unterstützung der bei studentischen und großstädtischen Demokraten populären Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez erhalten wird - gleich zwei linke Kandidaten Chancen auf Platz eins haben, zeigt, wie sehr dieses Lager in der Partei an Boden gewonnen hat. Gleichzeitig könnte die derzeitige Konstellation Joe Biden in die Hände spielen.
Denn während Warren und Sanders um die linken Stimmen kämpfen, gilt Biden bisher als recht unangefochtener Favorit des moderaten Lagers, dessen Stimmen ihm wohl großteils zufallen werden. Der 76-Jährige präsentierte sich in der TV-Debatte auch als Politiker mit Erfahrung und Realitätssinn, der als früherer Vize von Barack Obama genau weiß, was ihn im Weißen Haus erwartet.
Die Anschuldigungen von Donald Trump, der Biden und seinem Sohn in der Ukraine-Affäre unlautere Geschäfte vorwirft, streifte Biden nur kurz. "Mein Sohn hat nichts falsch gemacht. Ich habe nichts falsch gemacht." Stattdessen betonte er, dass sich Trump des Amtsmissbrauchs schuldig gemacht habe, weil er fremde Staaten zur Einmischung in die US-Politik aufgefordert habe. In diesem Punkt waren sich moderater und linker Flügel einig: Trump gehört abgesetzt.