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Sandkastenspiele mit der Erbschafts- und Schenkungssteuer

Von Alfred Abel

Wirtschaft

Insgeheim ist die Mehrzahl der Steuerreformer für die Abschaffung: Die Erbschafts- und Schenkungssteuer könnte ohne weiteres in der Versenkung verschwinden, meinen sie. Das vordergründige | Argument ist der schmale Ertrag, den der Staat aus dieser antiquierten Abgabe zieht: An die 40% des Aufkommens von schätzungsweise 1,2 Mrd. Schilling wandern in die Erhebungskosten. 80% der | Steuerverfahren bringen jeweils Bagatellbeträge bis 5.000 Schilling. Die große Hoffnung richtet sich auf die Steuerreform 2000. Doch die Verhältnisse, die sind nicht so.


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Als vor einigen Jahren das Gerücht um eine Erhöhung der Grundstücks-Einheitswerte und damit um eine Erhöhung der Erbschafts- und Schenkungssteuer aufkam (ein nicht grundloses Gerücht übrigens),

bekamen die Notare plötzlich viel zu tun. Viele Steuerberater rieten ihren Klienten, geplante oder auch ungeplante Vermögensübertragungen noch rasch durchzuziehen. In der Zwischenzeit ist das Gerücht

abgeebbt - derzeit steht es neuerlich im Raum.

Aufkommensneutrale Alternativen

Gerade eben gibt es in der Steuerreformkommission einen intensiven Meinungsaustausch um das Für und Wider der Einheitswert-Erhaltung und um die Beibehaltung der ungeliebten Erbschafts- und

Schenkungssteuer. Neben den nominellen Vermögenswerten sind die steuerlichen "Einheitswerte" - vor allem im Immobilienbereich - die wichtigste Berechnungsgrundlage für diese Abgabe.

Die Reformer sind genügend Realpolitiker, um zu wissen, daß das Gesamtaufkommen des Staates auch an Bagatellsteuern hängt. Und der Finanzminister hat den reformfreudigen Experten deutliche Grenzen

vorgezeichnet: alle Reformideen müssen aufkommensneutral sein. Also geht es darum, auch Alternativen aufzuzeigen. Nicht nur notorische Skeptiker ahnen, daß die E&S-Steuer die Reform 2000 überleben

könnte.

Verkehrswerte und Ministeuersätze

In einer Studie der Industrie und Wirtschaftskammern wird eine "Modernisierung" der E&S-Steuer schon recht konkret herausgearbeitet. Nach Meinung der Kammerleute sind die seit langem unveränderten

und daher total veralteten Einheitswerte als Rechengrundlage für die Steuer überholt und sollten durch die Verkehrswerte ersetzt werden.

Mit anderen Worten: alle Vermögenswerte, die im Schenkungs- oder Todesfall den Eigentümer wechseln, sollten - von einigen Ausnahmen abgesehen - nach ihren aktuellen Werten besteuert werden: land- und

forstwirtschaftliches Vermögen, Grund- und Betriebsvermögen sowie das sogenannte "sonstige" (Privat-)Vermögen. Geminderte Ertragswerte im Agrar- und Mietwohnbereich sollten Berücksichtigung finden.

Der Schock, den diese Überlegungen zunächst auslösen könnten, wird freilich durch die gegenüber den jetzigen Steuersätzen zu Mini geschrumpften Prozente gemildert. Die Kammerexperten befürworten

einen Einheitssteuersatz von 3,5% im direkten Verwandtschaftsbereich und zwischen Ehepartnern sogar nur 2%. Neben einem sachlichen Freibetrag von generell 300.000 Schilling soll für

Vermögensübergänge zwischen Ehegatten und Personen der direkten Linie ein zusätzlicher Freibetrag von 3 Mill. Schilling gelten.

Begünstigte Betriebsfortführung

Beim Übergang von Betriebsvermögen oder land/forstwirtschaftlichem Vermögen soll die "Vermögensübertragungssteuer" (die neue Nomenklatur für die novellierte Steuer) überhaupt entfallen, sofern der

Nachfolger den Betrieb mindestens zehn Jahre fortführt.

Der interessante Diskussionsvorschlag, der von Fachleuten auch als politisch verhandelbar angesehen wird, wird durch ein wissenschaftlich ausgerichtetes Konzept abgerundet, das der Grazer

Universitätsprofessor (und Steuerberater) Otto Taucher soeben in dem Buch "Steuern in Österreich" (Orac-Verlag) veröffentlicht hat.

Aktualisierte "Bedarfswerte"

Taucher, der - wie er zugibt - ursprünglich für die völlige Abschaffung der E&S-Steuer eingetreten ist, zeigt unter dem Eindruck realpolitischer Zwänge "im Fall der Beibehaltung der Erbschafts-

und Schenkungssteuer" ebenfalls die Notwendigkeit einer Novellierung des Systems auf.

Auch er will zur Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlagen andere als die überholten Einheitswerte heranziehen (er nennt sie "Bedarfswerte"), wobei er die Grundstückswerte aus der amtlichen

Kaufpreissammlung, die Gebäudewerte differenziert von Neuherstellungswerten ableiten will, jeweils gemildert um Abschläge von mindestens einem Drittel, im Bedarfsfall auch mehr.

Ertragswerte im Agrarbereich

Beim Betriebsvermögen könne man von den Steuerbilanzwerten ausgehen, meint der Autor. Beim land/forstwirtschaftlichen Vermögen will er das Ertragswertverfahren beibehalten, wobei er sich für den

Erbhof-Übergang einen Bewertungsabschlag von 40% und (nach deutschem Vorbild) einen zusätzlichen Freibetrag von 3,5 Mill. Schilling vorstellen könnte. Anders als gemäß Kammergutachten sieht Taucher

nur eine Behaltefrist von 5 Jahren vor.

Bei Vermögensübertragungen zwischen Ehepartnern und (neu!) zwischen Lebensgefährten in gemeinsamer Wohnung sieht Taucher eine Steuerbefreiung für Gebrauchsvermögen und eheliche Ersparnisse vor.

Eine grundsätzliche Befreiung soll auch für die übrigen "bewegliche Gegenstände" des Privatvermögens gelten, allenfalls mit Ausnahme von Kfz.

Anders als die Kammerexperten ist Taucher mit Tarifvoraussagen zurückhaltend. Die derzeit bestehenden 5 Steuerklassen will er auf 3 straffen: Klasse I (Kernbereich der Familie), II (entferntere

Verwandte) und III (übrige Personen und Zweckzuwendungen). Ferner könnten die derzeit 16 Tarifschichten auf 5 bis 7 zusammengelegt werden - allerdings bei gleichzeitiger Valorisierung auf mindestens

das 3,5-fache.

Bei einem angepeilten linearen Steuertarif mit höchstens 3 Steuersätzen sollte der Maximalsatz bei 25% liegen - analog dem Einkommensteuersatz für kumulierte "außerordentliche" Einkünfte.

Chancen für eine Abschaffung

Ist Taucher also inzwischen vom Paulus zum Saulus "zurückmutiert"? Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" betont der Autor ungeachtet seiner Novellierungsideen seine unveränderte Sympathie für

eine völlige Abschaffung der E&S-Steuer. Der steuerpsychologische Effekt und die "Umwegrentabilität" eines Verzichts auf die Abgabe könnte für den Wirtschafts- und (Steuer-)Standort Österreich weit

mehr bringen als die zum x-ten Mal umgemodelte Bagatellsteuer.