Mit dem Beschluss zur Einführung einer Grundsteuer auf Großgrundbesitz hat das Parlament in Windhoek Anfang April den ersten Schritt zu einer "sanften" Landreform in Namibia gesetzt.
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Wie der zuständige Minister, Hifikepunye Pohamba, bei der Präsentation der Gesetzesvorlage erklärte, erhofft sich die Regierung von der rückwirkend ab 1. April geltenden Abgabe zusätzliche Einnahmen von 18,4 Mill. namibische Dollar (ca. 2 Mill Euro) jährlich. Die Mittel sollen zur Finanzierung staatlicher Landkäufe zur Umverteilung an ländliche Unterschichten verwendet werden. Die Steuer soll im Grundsatz 0,75 % des Hektarwertes bei unbewirtschafteten Bodenflächen betragen bzw. 1 % bei Farmen, deren Besitzer sich im Ausland befinden. Laut Pohamba betrifft die neue Maßnahme 12.325 mittel- und großbetriebliche Farmen. Nach langem Zögern reagiert Namibia damit auf zunehmende Unmutsäußerungen über den offensichtlichen Stillstand der Bodenreform - einer angesichts des Weiterbestehens der kolonialen Landverteilung und der chaotischen Entwicklung im benachbarten Simbabwe sensiblen Materie.
Zwar hatte sich eine prominent zusammengesetzte "Landkonferenz" schon kurz nach der Unabhängigkeit 1990 mit der Frage der etwa 6.000, vielfach vom Ausland her verwalteten Großfarmen beschäftigt. Kaum eine ihrer Resolutionen jedoch wurde praktisch umgesetzt; nicht einmal eine in Industrieländern selbstverständliche Bodenbesteuerung wurde bislang eingeführt. Kritische Mahnungen - etwa des Generalsekretärs des namibischen Gewerkschaftsdachverbandes NUNW, Ranga Haikali - wurden ignoriert. Erst die zunehmende politische Instabilität in Simbabwe, teilweise verursacht durch eine fehlende oder schlecht gemanagte Landreform, ließ nun in Windhoek die Alarmglocken läuten.
Inwieweit eine "sanfte" Landreform, wie sie Staatspräsident Samuel Nujoma jetzt offenbar startet, heute noch realistisch ist, muß freilich abgewartet werden. Radikale Strömungen innerhalb der Regierungspartei SWAPO, wie etwa der Parlamentarier Ponhele ya France, verlangen statt der moderaten Steuer die Beschlagnahme von Großgrundbesitz nach simbabweschem Vorbild. Umgekehrt warnt Dean Swarts vom Bauernverband NAU vor unprofessionellen Aktivitäten, die im wasserarmen Namibia leicht zu Schäden des sensiblen ökologischen Gleichgewichts und zu einer landwirtschaftlichen Krise führen könnten. In der Tat scheinen so manche technisch-entwicklungspolitische Fragen - Kriterien der Umverteilung, Ausbildung und Unterstützung der neuen Bauern mit Saatgut, Maschinen und Krediten - noch ungeklärt. Politische Beobachter weisen weiters darauf hin, dass der letztlich aus der Epoche der deutschen Besatzung 1884-1915 stammende Großgrundbesitz nur eines der Probleme darstellt, die von einer umfassenden Landreform gelöst werden müßten. Auch das traditionelle Landrecht, welches in kolonial adaptierter Form in den nördlichen Provinzen Namibias vorherrscht, trägt zur Aufrechterhaltung der ländlichen Armut bei; beispielsweise werden die traditionellen Autoritäten ("Chiefs") dadurch bevorzugt, Frauen benachteiligt.
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W. Sauer ist Vorsitzender von SADOCC, des South Africa Documentation and Cooperation Centre, das sich für die Bewältigung des Erbes von Kolonialismus, Apartheit und Destabilisierung im Südlichen Afrika einsetzt und Informationen und Expertisen zu dem Thema anbietet. Nähere Informationen finden Sie im Internet unter http://www.sadocc.at .