Interview mit der Tourismus-Expertin Silvia Stuppäck. | "Wiener Zeitung":Rekordergebnis - das ist das Wort, das seit Wochen mit der Wintersaison 2005/06 in einem Atemzug genannt. Das meiste Geld wird auf den Skipisten verdient. Wie steht Ihre Organisation "respect" zum alpinen Skisport?
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Silvia Stuppäck: Wir sind der Meinung, dass es keinen weiteren Ausbau geben sollte. Skigebiete gibt es bereits genug. Ansonsten verteufeln wir das Skifahren nicht. Für uns stehen Fragen wie: "Muss ich bei jeder Schneelage fahren?" oder "Wie komme ich umweltfreundlich zum Skigebiet?" im Vordergrund.
Sie erheben also nicht den kritischen Zeigefinger?
Reisen ist schön, und wir wollen das auch niemandem vermiesen. Aber Tourismus bedeutet ein Eindringen in Umwelt und soziale Gefüge. Die Frage ist also: Wie wird damit umgegangen - auch von Seiten des Gastgebers.
Ist Individualtourismus "besser" als Massentourismus?
Rucksacktouristen sind sehr anfällig dafür, auch in abgelegene Orte einzudringen. Sie wollen auf jeden Fall "etwas" entdecken und erwarten sich im Gegenzug zu ihrer Freundlichkeit Gastfreundschaft. Es ist aber legitim, wenn die ortsansässige Bevölkerung weniger an Freundschaften als an Zusatzeinnahmen interessiert ist.
Wie kann der "Massentourist" verantwortlicher reisen? Man kann nicht von Menschen, die im Alltag nicht so sehr auf "bio" und "öko" setzen, erwarten, dass sie sich im Urlaub total verbiegen. Aber jeder kann sich auf eine Reise vorbereiten, über das Urlaubsland lesen.
Als Urlauber hat man zu akzeptieren, dass das Reiseland eine andere Welt ist. Oft steht man ja vor dem Dilemma, dass man das Paradies sucht - und auf Erden landet, wenn man etwa mit bettelnden Kindern konfrontiert wird.
Gab es im Massentourismus positive Veränderungen?
Ein Bereich, in dem es mittlerweile eine hohe Sensibilität gibt - auch von den Reiseveranstaltern - ist die kommerziell-sexuelle Ausbeutung von Kindern im Tourismus. Denn das ist kein Kavaliersdelikt.
Und abgesehen davon?
Alternative Reiseveranstalter gibt es in Österreich nicht allzu viele. Manche große Unternehmen haben bereits eine Umweltschiene. Viele sagen aber: Das wird nicht nachgefragt, und wir bieten an, was gewünscht wird - was für ein Unternehmen verständlich ist.
Sollten bestimmte Standards im Bereich Umwelt und Soziales verpflichtend sein?
Natürlich wünsche ich mir, dass kein Unternehmen "auskommt" - die Frage ist allerdings, ob das realistisch ist. Eine Möglichkeit wäre, Förderungen für den Qualitätsausbau an die Anforderung zu koppeln, bestimmte Kriterien zu erfüllen.
Sie klingen für eine Nichtregierungsorganisation nicht besonders kämpferisch.
Entweder man erklärt die Welt und wartet, oder man sagt: Ok, fangen wir damit an, etwas tun, schaffen wir Vorzeigeprojekte. Das birgt natürlich die Gefahr, auf den Gesamtblick zu vergessen. Aber dennoch sind diese Vorzeigeprojekte wichtig. Damit wird gezeigt, dass es Alternativen gibt.
Welche Vorzeigeprojekte?
Umweltlabels oder manche Hotels und Reiseanbieter. Oder auch das heftig diskutierte Projekt "Atmosphere". Hier zahlen Flugreisende etwas mehr für ihr Ticket. Mit dem Geld werden Projekte im Süden unterstützt, die Kohlendioxid reduzieren.
Wie sieht die Zukunft des Tourismus aus?
Wir setzen auf sozial- und umweltverträglichen Massentourismus: Hotelketten mit Sozial- und Umweltstandards. Denn sanfter Tourismus wird eine Nische bleiben.