Noch diese Woche starten weitere Verhandlungen mit der Wiener Gebietskrankenkasse.
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Wien. Rund 450 Sanitäter folgten am Dienstagabend dem Aufruf der Gewerkschaft, um gegen die geplanten Kündigungen bei den Wiener Blaulichtorganisationen gemeinsam vorzugehen. Sie kamen zur außerordentlichen Betriebsversammlung in die ÖGB-Zentrale: 98,2 Prozent der Beschäftigten sprachen sich für Protestmaßnahmen aus, sollten die noch diese Woche im Büro von Stadträtin Sandra Frauenberger startenden Verhandlungen mit der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) nicht zu einer gemeinsamen Lösung führen. Peter Hacker, Chef des Fonds Soziales Wien, der die Gespräche für die Stadträtin organisiert, geht davon aus, dass bis Herbst erste Reformergebnisse des Krankentransportwesens vorliegen müssten.
"Nicht kurzfristigStrukturen zerstören"
Die Ursache für die Proteste sind die bereits seit Jahren rückläufigen Aufträge der WGKK bei Krankentransporten an die Blaulichtorganisationen. Beim Wiener Arbeitersamariterbund mussten in Folge rund 100 von ehemals 235 in Vollzeit arbeitenden Rettungssanitätern abgebaut werden. Das Grüne Kreuz hat aktuell acht von 81 Rettungssanitätern gekündigt.
Und beim Wiener Roten Kreuz erwartet 35 von 140 Beschäftigten das gleiche Schicksal. "Wir erfahren erst mit 1. August, wer betroffen sein wird", sagt Wolfgang Berger, seit 25 Jahren Sanitäter bei der Organisation. Er sei 53 Jahre alt, "ein Berufswechsel ist da Wahnsinn. Ich stehe mit dem Rücken zur Wand."
Berger macht aber auch auf generelle Folgen der Einsparungen aufmerksam: "Wir übernehmen 44 Prozent der Einsätze, die über den Notruf 144 hereinkommen. Da müsste die Berufsrettung gewaltig aufstocken, um das zu bewältigen. Ich hoffe, dass die Verantwortlichen nicht kurzfristig funktionierende Strukturen zerstören, die dann mit viel Geld wieder aufgebaut werden müssen."
Verlagerung der Transporte,um Kosten zu sparen
Tatsächlich zeigen die Daten der Krankenkasse, dass der Transport von Patienten in Krankenhäuser in den vergangenen Jahren zunehmend auf Fahrtendienste verlagert wurde - und damit die Aufträge für die Blaulichtorganisationen stark zurückgingen. Während 2012 noch 513.365 Transporte mit dem Krankenwagen stattfanden, waren es 2016 nur mehr 401.074.
Im Gegenzug stiegen die Fahrtendienste an, von damals rund 173.000 auf mehr als 323.000 im vergangenen Jahr. Weil sich ein Fahrtendiensttransport im Vergleich zur 66,76 Euro teuren Krankenwagenfahrt nur mit 18,78 Euro zu Buche schlägt, konnte die Krankenkasse die Kostensteigerung einbremsen.
Karin Zoufal, Direktorin der Wiener Gebietskrankenkasse, argumentiert die Notwendigkeit, kostengünstigere Transporte zu wählen, gegenüber der "Wiener Zeitung" mit dem eigenen Spardruck: "Generell haben wir den Auftrag, in allen Bereichen Strukturen zu verschlanken. Die Anzahl der Krankentransporte ist in den vergangenen Jahren nach oben gegangen. Da muss man wieder ein Gleichgewicht finden."
Sicherheit für Patienten gewährleisten
Die Mitarbeiter der Blaulichtorganisationen befürchten allerdings, dass weitere Sparmaßnahmen zu Engpässen bei künftigen Katastropheneinsätzen führen könnten. Auch die Sicherheit der Patienten bei Transporten könne ohne Sanitäter leiden.
Dominic Winkelmann, Notfallsanitäter beim Grünen Kreuz, führt zum Beispiel die längere Ausbildung im Vergleich zum 16-stündigen Erste-Hilfe-Kurs der Fahrtendienstmitarbeiter ins Feld: "Sanitäter haben eine zweimonatige Ausbildung, Notfallsanitäter sogar ein Jahr - und auf die Praxis darf nicht vergessen werden."
Dem hält WGKK-Direktorin Zoufal entgegen, dass nicht bei jedem Transport Sanitäter notwendig seien: "Wir haben Patienten, die auch berufstätig sind, wie zum Beispiel Dialysepatienten. Die fahren auch sonst nicht alle ihre Wege mit dem Krankentransport und trotzdem wurde für den Weg zur Dialyse ein Krankentransport verordnet." Das ringt Stephan Sammer, Notfallsanitäter und Betriebsratsvorsitzender bei den Johannitern, nur ein Kopfschütteln ab: "Dialysepatienten sind Schwerkranke, nach der Blutwäsche stark geschwächt und außerdem meistens weit über 70 Jahre alt - die möchte ich nicht guten Gewissens ohne Sanitäter durch die Stadt schicken."
In die Verhandlungen mit der Kasse setzt Sammer übrigens keine großen Hoffnungen mehr: "Wenn es Streik heißt, sind wir dabei", sagt er. Und die Gewerkschaft habe nun das Pouvoir dafür, im Falle des Scheiterns der Verhandlungen einen solchen zu organisieren.