Österreich konnte bei Banken das Gröbste verhindern: VTB und Sberbank in Wien bleiben von EU-Sanktionen verschont.
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Brüssel/Wien. Wenn 28 EU-Länder Sanktionen gegen Russland verhandeln, kann es schon zugehen wie auf dem Basar. Österreich ist es in den Verhandlungen mit der EU bezüglich der Maßnahmen gegen den Kreml gelungen, den heimischen Bankensektor vor groben Verwerfungen zu schützen. Die Gefahr war allerdings beträchtlich, wie die "Wiener Zeitung" exklusiv am Wochenende berichtete (s. Link). Denn zwei der betroffenen russischen Großbanken, die VTB und die Sberbank, unterhalten in Wien große Operationen: Sie haben hier ihr Europa-Geschäft gebündelt. Und das mit österreichischen Bank-Konzessionen. Genau das bot den Ausweg: In Österreich tätige Banken sind von den Sanktionen ausgenommen, hieß es am Dienstag in Wien. Bei den Verhandlungen mit Brüssel ging es um viel. Die Sberbank Europe AG ist die umgewandelte Volksbank International, die von den Russen 2012 erworben wurde. Vom Schwarzenbergplatz in Wien aus steuert sie neun Banken in Osteuropa.
Rücksicht auf Deniz Bank
2013 kaufte die russische Großsparkasse zudem die türkische Deniz Bank, die umfangreich in Österreich tätig ist. Genau diese vertiefte bei heimischen Bankenaufsehern die Sorgenfalten. Das Institut agiert am Markt recht aggressiv mit hohen Zinsversprechen. So konnte die Deniz Bank mittlerweile fast sechs Milliarden Euro Spareinlagen sammeln. Im Ernstfall hätte es bei einem Stillstand der Sberbank zu einem Run auf die Deniz Bank kommen können, fürchteten Bankenaufseher. Massive Abhebungen von Kunden hätten allerdings auch Raiffeisen erfassen können, da die Russland-Abhängigkeit der Bankengruppe immens ist.
Im Bundeskanzleramt trafen sich Vertreter des Finanz- und Wirtschaftsministeriums, der Nationalbank und der Finanzmarktaufsicht, um diese möglichen Auswirkungen der Sanktionen zu besprechen. Schließlich kam die erlösende Nachricht: Die EU akzeptiert Österreichs Bedenken, da dann die Sanktionen den heimischen Bankensektor überproportional getroffen hätten. "Und der hat mit dem Konflikt in der Ostukraine ja wirklich nichts zu tun", wie ein Involvierter zur "Wiener Zeitung" sagte.
Wien, ein attraktiver Standort
Ebenfalls getroffen worden wäre die in St. Petersburg beheimatete VTB, weil sie - wie die Sberbank - vom russischen Staat kontrolliert wird. VTB-Mehrheitsaktionär ist die russische Zentralbank. Auch diese hat ihre Europa-Aktivitäten in Wien konzentriert, allerdings in Richtung Westen. Tochterbanken in Deutschland und Frankreich bilden die wesentlichen Säulen der Europa-Holding. In Deutschland wird zudem eine Direktbank betrieben, die bis 2013 mit hohen Zinsversprechungen erfolgreich am Markt graste.
Was macht nun Wien so attraktiv für russische Banken? Nun, das liegt an der Stadt selbst. Reiche Russen fühlen sich in Wien ganz offensichtlich wohl. Abgesehen von der hohen Lebensqualität liegt Wien in der Eurozone, sowohl VTM European Subholding als auch die Sberbank Europa gelten also als EU-Banken. Und dazu gesellen sich noch das Bankgeheimnis sowie ein attraktives Steuersystem für Holdings, das es erlaubt, Verluste aus dem Auslandsgeschäft steuermindernd geltend zu machen.
Die Sberbank, also die vormalige VBI, versucht derzeit noch aus der Verlustzone zu kommen. Die VTB musste 2013 - nach Jahren stürmischen Wachstums - eine Drittelung des Gewinns auf 55 Millionen Euro hinnehmen. Die Steuerleistung lag laut Geschäftsbericht bei überschaubaren 2,5 Millionen Euro. Gute Gründe also, sich für Wien zu entscheiden.
Die EU-Sanktionen trüben die Aussichten allerdings. Denn die beiden russischen Großbanken müssen sich künftig von Wien aus refinanzieren. Den russischen Müttern wird dies unterbunden, da sie vom EU-Kapitalmarkt abgeschnitten werden sollen.
Angst um Raiffeisen
Es ist also anzunehmen, dass sich deren Refinanzierung verteuern wird. Für Sberbank Europe ist dies ein Rückschlag, da sie immer noch am osteuropäischen Netzwerk der Volksbanken knabbert, das 2012 erworben wurde. Allerdings kann Sberbank Europe über die Spareinlagen der Deniz Bank indirekt verfügen. Für die auf Firmenkunden und Edelmetallhandel spezialisierte VTB ist Kapital nicht das große Problem - da geht es eher ums Image. "Es ist im Moment sicher schwierig für russische Banken, in der EU Geschäfte zu machen", so ein heimischer Banker zur "Wiener Zeitung".
Was Österreich allerdings mit der EU-Vereinbarung gelingt, ist sich selbst zu retten. Hätte die EU beide russischen Banken in Österreich sanktioniert, wären wohl Gegenmaßnahmen aus Moskau verhängt worden. Raiffeisen International ist da besonders verwundbar, mit Abstufungen auch die Bank Austria.
Hilfreich war da - ist in Brüssel zu hören - das Engagement auch deutscher, italienischer und französischer Banken in Russland. "Österreich alleine hätte beim Thema Finanzsanktionen wohl wenig Chancen gehabt", heißt es. Kurzfristig sei in Wien sogar ein Veto überlegt worden, das wurde aber rasch verworfen. Die nun getroffene Lösung macht Druck auf Präsident Wladimir Putin, verhindert aber gröbere Auswirkungen in den EU-Ländern. Noch offen ist, ob sich Norwegen und die Schweiz den EU-Sanktionen anschließen werden. In Wiener Regierungskreisen wurde das eher erwartet.
Ein weiteres Thema für Wien waren natürlich die Exportgarantien der Kontrollbank. So gab es etwa (über deren Österreich-Tochter) Exportförderungen für den Papierkonzern Mondi, für eine EVN-Müllverbrennungsanlage in Moskau sowie für Anlageprojekte von Voith und der VAI. Das wird nun deutlich erschwert.
Österreichs Dilemma