Nachdem die Textilexporte aus China in die Europäische Union seit Anfang des Jahres rasant angestiegen sind, hat die EU-Kommission eine Untersuchung für neun Produktgruppen eingeleitet. Die Importe könnten vorübergehend beschränkt werden.
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Mit Beginn des Jahres waren die Exportlimits im weltweiten Textilhandel gefallen. Bereits seit Februar warnt der europäische Herstellerverband Euratex vor der Überflutung des EU-Marktes mit chinesischen Textilien. Bei zumindest neun Produkten wurden die "Alarm-Schwellen" überschritten, sagte nun auch Handelskommissar Peter Mandelson. Spitzenreiter der Importexplosion im ersten Quartal 2005 waren Pullover mit einer Steigerung von 534% auf mehr als 65 Mio. Stück gegenüber dem Vorjahreszeitraum, gefolgt von Herrenhosen mit 413% Plus auf gut 104 Mio. Stück. Mandelson forderte daher China auf, die Exporte zu drosseln. Andernfalls könnten mittelfristig Beschränkungen für den Import der betreffenden Produkte - darunter auch T-Shirts und Büstenhalter - verhängt werden. Trete massiver Schaden für Europas Textilindustrie zu Tage, könnte die EU-Kommission notfalls sogar innerhalb von 15 Tagen den Riegel vorschieben. Für dieses Eilverfahren wollen sich Italien, Frankreich und elf weitere EU-Länder einsetzen.
Bis die Untersuchung der Auswirkungen der chinesischen Importe nämlich greift, können bis zu 150 Tage vergehen. Parallel dazu werde es intensive Kontakte zu den Behörden in Peking geben, kündigte Mandelson an.
Zwar gibt es die Handelsbeschränkungen des Multifaser-Abkommens von 1974 seit 1. Jänner für alle Mitglieder der Welthandelsorganisation nicht mehr. China hatte sich aber mit dem Beitritt zur WTO 2002 verpflichtet, auf Verlangen der EU bis 2008 seine Lieferungen nur um maximal 7,5% anwachsen zu lassen. Der Marktanteil seiner Textilimporte lag 2003 bei 12%, die WTO erwartete bisher ein Anwachsen auf 30% innerhalb von drei Jahren. Tausende Arbeitsplätze seien aufgrund der aktuellen Zahlen in Gefahr, warnen die Vertreter der europäischen Textilbranche.
"Mein Handlungsspielraum ist begrenzt in Umfang und Dauer", warnte jedoch Mandelson. Für maximal zwölf Monate kann er den Fabriken in Europa eine Atempause verschaffen. Nicht zuletzt seien europäische Textilkonzerne mit der Auslagerung ihrer Produktionsstätten nach China für den Exportboom verantwortlich, führte der Kommissar aus. Außerdem sei die Aufhebung der Handelsquoten "nicht über Nacht gekommen", wandte sich WTO-Generaldirektor Supachai Panitchpakdi im "Wall Street Journal" überhaupt gegen Sanktionen als Lösungsansatz. Die Textilproduzenten außerhalb Chinas hätten sich "erst nicht vorbereitet, und beklagen sich jetzt". Positiv fällt die Entwicklung in Europa laut Mandelson jedenfalls für die Konsumenten aus: Pullover seien im ersten Quartal um 47%, Hosen um 24% und Damenoberbekleidung gar um 50% billiger geworden.