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Sanktionen sind nicht wirkungslos

Von Otmar Lahodynsky

Gastkommentare
Otmar Lahodynsky ist Ehrenpräsident der Association of European Journalists (AEJ), die er von 2014 bis 2021 leitete. Er war Redakteur beim Nachrichtenmagazin "profil".
© privat

Sie können Putin nicht aufhalten. Aber auf längere Sicht steht er wirtschaftlich als Verlierer da.


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Die EU hat auf Wladimir Putins völkerrechtswidrige Schritte erstaunlich schnell und geschlossen reagiert. So wird der Zugang des russischen Staates zu internationalen Anleihemärkten und finanziellen Dienstleistungen unterbrochen. Mehr als 400 Personen, darunter alle Duma-Abgeordneten, die für die Anerkennung der Separatisten-Republiken gestimmt haben, werden mit Einreiseverboten belegt, ihr Vermögen in der EU wird eingefroren. Das betrifft auch einige Oligarchen, darunter enge Vertraute Putins.

Vielleicht sind solche Sanktionen wirksamer, als es den Anschein hat. Denn zwischen Oligarchen und Putin herrscht eine Symbiose. Karl Habsburg, der Radiosender in der Ukraine betreibt, hat in einem Interview mit der "Furche" vorgeschlagen, die EU sollte russische Oligarchen mit einem Einreiseverbot belegen. Damit könnten sie ihre Villen an der Cote d’Azur oder anderen Mittelmeerstränden nicht mehr nutzen oder ihre Kinder nicht länger in Internate oder Unis in der EU sowie Großbritannien, das solche Schritte ebenso plant, schicken.

Sanktionen sind natürlich immer ein zweischneidiges Schwert, da sie auch Unternehmen und Konsumenten in der EU treffen. Aber gibt es eine Alternative? Wie kann man eine eklatante Verletzung des Völkerrechts, militärische Aggression und gewaltsame Änderung der Nachkriegsordnung unter Bruch internationaler Verträge sonst beantworten, wenn man keinen Krieg führen will? Und den will niemand im Westen.

Aber anders als heimische Politiker mit viel Verständnis für Putin gerne behaupten, hatten Sanktionen der EU und USA sehr wohl schmerzhafte Auswirkungen auf die russische Wirtschaft. Der schwedische Ost-Experte Anders Aslund hat sie berechnet: Von 2014 bis 2020 kosteten sie Russland 2,5 bis 3 Prozent des BIP pro Jahr. Zuletzt fielen die verfügbaren Realeinkommen der Russen um 11 Prozent. Die Wirtschaft stagniert seit der Krim-Annexion 2014. Sollte Russland tatsächlich vom weltweiten Finanztransfer Swift abgekoppelt werden, drohen noch schlimmere Folgen.

Es ist auffällig, dass Putin dieses Thema meist auslässt. Er erwähnt auch nicht, warum Russlands BIP, das nach dem Ende der Sowjetunion wirtschaftlich noch gleichauf mit China lag, jetzt nur noch jenem der Niederlande und Belgiens zusammen entspricht. Oder warum die versprochene Modernisierung der russischen Wirtschaft kaum vorangekommen ist. Höhnisch hat Dmitri Medwedew, der sich mit Putin als Präsident abwechselte, vorgerechnet, dass die Gasbezieher in der EU bald doppelt so hohe Tarife zahlen werden.

Aber auf längere Sicht könnte Russland als größerer Verlierer dastehen. Das Riesenreich braucht die Einnahmen aus der Lieferung von Erdöl und Erdgas, die ein gutes Drittel seiner Wirtschaftskraft ausmachen. Aber vor dem Horizont der angestrebten Energiewende und dem geplanten Umstieg auf erneuerbare Energien sowie mit der weiteren Zunahme von Elektrofahrzeugen könnte die Nachfrage nach russischem Öl und Gas bald deutlich zurückgehen. Und zwar noch in der Amtszeit Putins, die er sich ja bis 2036 gesichert hat.