Ukraine-Krise überschattet EU-Sondergipfel am Wochenende.
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Brüssel. Mit einer Eingewöhnungsphase kann der Neue nicht rechnen. Der oder die Neue. Wer auch immer die Nachfolge der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton übernimmt, muss sich von Anfang an gleich auf mehrere Konfliktthemen einstellen. Und eines der derzeit heftigsten steht schon am Samstag auf der Agenda eines Sondertreffens der europäischen Staats- und Regierungschefs, das ursprünglich der Besetzung von EU-Spitzenposten gewidmet hätte sein sollen. Doch die Verschärfung der Ukraine-Krise machte eine weitere Debatte darüber notwendig, und so setzte Ratspräsident Herman Van Rompuy neben die Personaldiskussion auch Außenpolitisches auf die Tagesordnung. Die Situation im Irak, im Gazastreifen und vor allem in der Ukraine sollen nun zur Sprache kommen.
Dazu wird der ukrainische Präsident Petro Poroschenko erwartet, der schon im Vorfeld die Europäer aber auch die Vereinten Nationen dazu aufforderte, Stellung zum Vorgehen Russlands in der Ukraine zu beziehen. Die EU könnte dabei über Äußerungen der Besorgnis hinausgehen, die aus der EU-Kommission gekommen waren. Denn schon sind Rufe nach weiteren Sanktionen gegen Moskau zu hören - auch von Politikern aus Deutschland, das zuvor lange Zeit zögerlich gegenüber solchen Aktionen war.
So geht bereits aus einem Entwurf für das Schlussdokument des Gipfeltreffens hervor, dass die Europäische Union neben der Beurteilung der bereits verabschiedeten Strafmaßnahmen bereit ist, "weitere Schritte zu erwägen, im Lichte der Entwicklung der Situation". Das könnte etwa zusätzliche Einschränkungen im Kapitalverkehr oder in der Reisefreiheit bedeuten. Es wäre eine Weiterführung der vor gut einem Monat verhängten Wirtschaftssanktionen, die etwa ein Ausfuhrverbot für zivil und militärisch nutzbare Güter für die russische Armee und einen Lieferstopp für Spezialgeräte zur Ölförderung brachten. Außerdem wurden fast zwei Dutzend russischen Unternehmen Geschäfte in der Union untersagt.
Ringen um Topjobs
Gleichzeitig betonen EU-Politiker immer wieder die Wichtigkeit der Diplomatie: Im Dialog mit dem Kreml solle der Konflikt gelöst werden. Zum Ausmaß der Kompromissbereitschaft gibt es allerdings in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Vorstellungen. So hatten beispielsweise Polen und die baltischen Länder immer wieder auf ein härteres Vorgehen gegenüber Russland gedrängt. Dass dies andere Staaten nicht mittragen wollten, hat die Skepsis auch gegenüber bestimmten Favoriten genährt, die für die Nachfolge Ashtons und damit die außenpolitische Repräsentanz der EU genannt wurden. Dass Italien Außenministerin Federica Mogherini gerne als neue Außenbeauftragte sehen würde, stieß in Warschau auf wenig Begeisterung. Dort wird der Regierung in Rom eine zu weiche Haltung gegenüber Moskau nachgesagt.
Dennoch rangiert der Name der italienischen Sozialdemokratin in der Spekulationsliste zu den Postenbesetzungen seit Wochen ganz oben. An Mogherinis Ernennung gebe es keine Zweifel mehr, hieß es zuletzt aus EU-Kreisen. Ein Pole könnte dafür einen weiteren Spitzenposten erhalten. Für das Amt des Ratspräsidenten ist Premierminister Donald Tusk im Gespräch. Gerüchte um einen EU-Topjob für den Mitte-Rechts-Politiker gab es zwar schon vor Monaten, doch winkte Tusk damals ab. Mittlerweile könnte sein Interesse daran aber gestiegen sein. Der polnische Ministerpräsident gilt jedenfalls als Favorit für die Nachfolge Van Rompuys.
Dass sich die Staats- und Regierungschefs auf die Ernennung der Außenbeauftragten und des Ratspräsidenten einigen, ist auch dem künftigen Präsidenten der EU-Kommission ein Anliegen. Erst nach der Verständigung auf diese beiden Ämter will Jean-Claude Juncker die Zusammensetzung seiner Behörde fixieren. Die Hohe Repräsentantin für die EU-Außen- und Sicherheitspolitik ist nämlich auch gleichzeitig Vizepräsidentin der Kommission. Ist diese nominiert, können sich andere Teile in das Personalpuzzle fügen. In dem komplizierten Prozedere müssen nämlich nicht nur die Interessen großer und kleiner Länder berücksichtigt werden, sondern auch jene der unterschiedlichen Parteienfamilien.
Ein weiterer Punkt wäre die Ausgewogenheit der Geschlechter. Doch das könnte für Juncker zu einem Problem werden. Denn unter den Kandidaten, die die Mitgliedstaaten in die Kommission schicken wollen, finden sich nur wenige Frauen. Das aber stößt auf heftige Kritik im EU-Parlament, das der EU-Kommission noch zustimmen muss.