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Sanktionsopfer Schelling

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Der neue Finanzminister muss mit den bergab zeigenden Wirtschaftsdaten zurande kommen, so der einhellige Tenor. Wie das gehen soll, ist indes vollkommen unklar, denn der offenkundige Krieg in der Ostukraine birgt ungeheure Risiken, vor allem bei den Banken. Der Börsewert der Raiffeisen International, die einen wesentlichen Teil ihres Gewinns in Russland macht, ist seit dem Jahreshöchstkurs um vier Milliarden Euro gefallen. Die Erste Bank hat noch mehr an Börsewert eingebüßt. Und der Konflikt ist nicht dazu angetan, den "Abbau" von Vermögenswerten in der Hypo Alpe Adria und der Volksbanken AG (ÖVAG) Steuerzahler-schonend voranzutreiben. Mit jeder Verschlechterung der Verkaufsbedingungen für die Balkan-Töchter der ÖVAG steigt deren Kapitalbedarf.

Um es deutlich zu sagen: Die Staatsschuld Österreichs wird heuer auf 85 Prozent der Wirtschaftsleistung klettern. Sie soll reduziert werden. Die Abgabenquote von 45,4 Prozent soll auch reduziert werden. Beides ehrenwerte Ziele.

Wenn der Ukraine-Konflikt nicht in Kürze beigelegt wird, kann sich Österreich diese Ziele aufmalen. Auch alle anderen EU-Länder übrigens, was die Talfahrt der Konjunktur zusätzlich beschleunigen würde.

Hans Jörg Schelling könnte also unverschuldet Sanktionsopfer werden, weil die geopolitische Lage den Budgetpfad unpassierbar macht.

Die einzige Möglichkeit, den Schaden zu minimieren, ist der Vorschlag des neuen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, die Sanktionskosten EU-weit auszurechnen und über einen EU-Solidaritätstopf auf alle regelmäßig aufzuteilen. Österreich wäre Netto-Empfänger aus diesem Topf.

Der Vorschlag von Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl, die Kompensation für Sanktionsschäden national zu finanzieren, greift zu kurz - und würde die Budgetkonsolidierung ebenfalls über den Haufen werfen. Wenn ein deutscher Konzern dadurch Geschäft verliert und dessen österreichischer Lieferant in der Folge ebenfalls, wer soll das dann bezahlen?

Wenn in dieser Frage die Europäische Union nicht als Einheit auftritt, kommt Wladimir Putin seiner Absicht, die russisch-dominierte Eurasische Union als Alternative zur EU aufzubauen, ein großes Stück näher. Der neue Finanzminister sollte Junckers Idee daher jetzt schon unterstützen. Nicht nur dem Budget zuliebe . . .