Mallam Lamido Sanusi ist Adeliger, Wirtschaftsexperte und Theologe - und einer der international am meisten beachteten Nigerianer.
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Dass Nigeria auf der Weltkarte der Finanzen überhaupt noch existiert, hat es Mallam Lamido Sanusi zu verdanken. Zu dem Schluss gelangte zumindest das zur "Financial Times" gehörige renommierte Magazin "The Banker". Anfang des Jahres kürte es ihn zum weltweit besten Gouverneur einer Nationalbank.
Als der Finanzguru vor gut eineinhalb Jahren - mitten in der heißesten Phase der Wirtschaftskrise - den Posten übernahm, hatte er bereits beeindruckende Referenzen in der Tasche. Geboren wurde er am 31. Juli 1961 als Sohn einer Adelsfamilie des Volks der Fulbe. Sein Vater war Generalsekretär im Außenministerium, sein Großvater Emir von Kano, im Norden Nigerias. Nach dem Abschluss seines Wirtschaftsstudiums an der Universität in Zaria, wo er anschließend zwei Jahre unterrichtete, ging Sanusi nach New York. Dort arbeitete er für Icon Limited, eine Tochtergesellschaft der Investmentbank J.P. Morgan. In London war er für die traditionsreiche Barings Bank tätig. Zurück in der Heimat, wurde er anerkannter Experte für Risikomanagement. Als solchen engagierte ihn die United Bank for Africa als Generaldirektor, später die First Bank of Nigeria, wo er zum ersten Geschäftsführer wurde, der aus dem muslimischen Norden kam.
Schließlich wurde er im Juni 2009 zum Gouverneur der nigerianischen Zentralbank berufen. Er stützte in einer Rettungsaktion die größten Banken des Landes mit umgerechnet - und vergleichsweise günstigen - zwei Milliarden Euro, ließ aber im Gegenzug deren Führungskräfte feuern, 16 davon stellte er vor Gericht.
Sanusi fuhr einen harten Kurs gegen die Korruption, auch wenn das bedeutete, sich mit den Mächtigen des Landes anzulegen. Er ließ die Amtszeit von Banken-Geschäftsführern auf zehn Jahre begrenzen und war maßgeblich dafür verantwortlich, dass in Nigeria eine Kultur des Risikomanagements Einzug hielt. Schließlich sorgte er noch für mehr Transparenz im nigerianischen Finanzsektor. All das diente der für Investoren wichtigen Finanzsicherheit des Landes.
Zurzeit wehrt er sich vehement gegen die Empfehlung des Internationalen Währungsfonds, Nigerias Landeswährung abzuwerten. Nicht nur sei ein stabiler Wechselkurs das wirksamste Mittel zur Inflationskontrolle, auch mache eine Abwertung nigerianische Produkte nicht billiger als chinesische, sagt er.
Eine Stütze im Leben ist Sanusi sein profunder muslimischer Glaube. Neben seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat er auch ein Studium der Scharia und der Islamwissenschaft abgeschlossen und dabei einen aufgeklärten Zugang zu seiner Religion gefunden.
Dabei bemüht er sich stets, die Botschaft des Islam gegen äußere (frei interpretierbare) Einflüsse abzugrenzen. Zum Thema Gleichberechtigung meint er etwa, dass "Auswüchse von geschlechtlicher Diskriminierung in der muslimischen Gesellschaft sozio-ökonomische und kulturelle Wurzeln haben, die den religiösen entgegenstehen". Das islamische Recht Scharia ist ihm zufolge nicht göttlich, sondern lediglich religiös und somit weder allgemein gültig noch unabänderbar. Ein Ansatz, mit dem der gefeierte Finanzexperte auch in religiöser Hinsicht für Aufsehen sorgt.