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Die EU-Kommission hat Agrarkommissar Franz Fischler ermächtigt, die Finanzierungsvereinbarungen für das SAPARD-Programm mit den beitrittswerbenden Ländern zu unterzeichnen. Das SAPARD-Programm ist mit 520 Mill. Euro dotiert und soll die mittel- und osteuropäischen Länder (MOEL) bei der Vorbereitung auf die gemeinsame Agrarpolitik und den Binnenmarkt unterstützen. Mit einer Analyse der wirtschaftlichen Situation und den Fortschritten der Beitrittskandidatenländer haben sich die zuständigen österreichischen Handelsdelegierten befasst - und entwerfen ein sehr differenziertes Bild der künftigen EU-Mitglieder.
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Die SAPARD-Finanzierungsvereinbarungen legen die Modalitäten fest, unter denen die Verwaltung der Programme für ländliche Entwicklung an die SAPARD-Stellen in den beitrittswerbenden Ländern übertragen wird. Sie beinhalten auch genaue Vorschriften für Finanzkontrollen zu Gunsten einer ordnungsgemäßen Verwaltung der Mittel.
Radikaler und innovativer Ansatz der EU
Zum ersten Mal in der Geschichte der EU wird damit ein externes Finanzierungsprogramm auf einer völlig dezentralisierten Basis durchgeführt. "Dieser radikale und innovative Ansatz ist bisher ohne Beispiel", bekräftigt Fischler.
Er erklärt, dass die Vorbereitungen für die Finanzierungsvereinbarungen mehr Zeit als geplant in Anspruch genommen hätten - die Kommission wollte optimale Rahmenbedingungen sicher stellen: "Die Zeit, die wir investiert haben, um eine betrugssichere Verwaltung der Gelder zu gewährleisten, wird in den kommenden Jahren Früchte tragen. SAPARD ist ein wichtiger Katalysator für Veränderung. Wir haben damit einen weiteren wichtigen Schritt gesetzt, um die EU-Programme für die Kandidatenländer zugänglich zu machen", sagt Fischler.
Die SAPARD-Finanzhilfe muss sowohl den Prinzipien der gemeinsamen Agrarpolitik entsprechen als auch im Einklang mit den für das Gemeinschaftsbudget geltenden Finanzvorschriften stehen. Da in den beitrittswerbenden Ländern die Gemeinschaftsgesetzgebung noch nicht direkt angewendet werden kann, mussten die notwendigen legislativen und administrativen Strukturen erst aufgebaut werden.
Erfahrungen in gemeinsamer Politikanwendung
Durch die Dezentralisierung der Programmverwaltung können die künftigen Mitgliedsstaaten Erfahrungen bei der Umsetzung der EU-Programme für ländliche Entwicklung sammeln. Dieses Wissen kann nach Ansicht der EU-Kommission auch anderen Anwendungsbereichen gemeinschaftlicher Politik - etwa der Strukturpolitik - nützen. Den Agrarbereich beeinflussen wird auch die auch von Fischler erklärte Absicht, angesichts der jüngsten Ausweitung der Rinderkrankheit BSE eine "umweltgerechte Landwirtschaft" künftig stärker zu fördern. Die BSE-Krise sei Anlass, "artgerechter und umweltgerechter Tierhaltung in der EU-Agrarpolitik einen höheren Stellenwert zu geben".
Österreichs Handelsdelegierte machen deutlich, dass die EU-Mittel vor allem für den wirtschaftlichen Aufholprozess dringend gebraucht werden.
Polen, Ungarn, Slowenien wachsen am schnellsten
Besonders in Polen verlaufe die Übernahme des EU-Rechtsbestandes im Agrarbereich schleppend, berichtet der Handelsdelegierte in Warschau, Kurt Müllauer: "Aktuelle Probleme ergaben sich auch im Rahmen der Aushandlung der bilateralen Abkommen im Agrarbereich, wo Polen als einziges MOE-Land mangels Zugeständnissen noch keinen Abschluss vorweisen kann und die Verhandlungen kurzfristig sogar ad acta gelegt wurden."
Polen habe sich auf die innere Reform konzentriert und es fehle an strategischer Planung, "denn selbst wenn Gesetzesentwürfe ausgearbeitet wurden, so mangelt es an der Umsetzung", so Müllauer. Bei der Wirtschaftsentwicklung rangiert Polen mit Ungarn und Slowenien weiterhin unter den europäischen Ländern mit dem höchsten Wachstum.
Ungarn hätte sich von einem nach Osteuropa ausgerichteten Agrarexporteur zu einem Erzeuger und Exporteur von elektronischen Bestandteilen und Kfz-Komponenten entwickelt, dessen überwiegender Auslandsmarkt die EU ist, erklärt Peter Rejtö, Handelsdelegierter in Budapest. "Bereits im Staatssozialismus hat Ungarn Ansätze von marktwirtschaftlicher Aktivität zugelassen und hat die Privatisierung radikaler als andere Reformstaaten durchgeführt", sagt Rejtö - und: "Ungarn gehört zweifellos zu den Spitzenreitern unter den Beitrittskandidaten der ersten Runde." Als "Hausaufgaben" blieben der Ausbau der Infrastruktur, einer leistungsfähigen Struktur von Zulieferbetrieben und die Förderung der Klein- und Mittelbetriebe. Nachholbedarf bestehe im Umweltbereich und bei der praktischen Umsetzung des EU-Rechtsbestandes.
Rumänien ist noch ein "Sorgenkind"
Sloweniens Verwaltungsreform schreite zu langsam voran, analysiert Handelsdelegierter Georg Krauchenberg aus Laibach. Zwar seien 77% der EU-Gesetze bereits übernommen, die Durchführungs-Verordnungen ließen aber noch zu wünschen übrig. Ein "Sorgenkind" ist dagegen Rumänien: In den letzten 10 Jahren sei wirtschaftlich viel versäumt worden - das BIP werde erst 2021 40% des durchschnittlichen EU-BIPs erreichen, konstatiert Franz Bachleitner, Handelsdelegierter in Bukarest.
Erst jetzt gebe es Anzeichen für eine Erholung auf Grund verstärkter ausländischer Investitionen und zahlreicher Infrastrukturvorhaben: "Diese werden von Krediten der EBRD, der EIB, der Weltbank, des IWF, aber vor allem durch EU-Mittel wie jene aus dem SAPARD-Programm profitieren", ist Bachleitner überzeugt. Allerdings sei die kleinbetrieblich strukturierte rumänische Landwirtschaft mit dem 25%-igen Selbstbehalt bei der Umsetzung von Projektvorhaben überfordert. Ein von der rumänischen Regierung beschlossenes Wirtschaftsstrategieprogramm bis 2004 sei allerdings auf die EU-Integration abgestellt und sollte den Aufholprozess beschleunigen.
"Die Anpassung an die Gesetzgebung der EU erfolgt in Bulgarien in raschem Tempo", berichtet dagegen der Handelsdelegierte in Sofia, Hermann Hagspiel: "Bereits die Hälfte des Außenhandels wird mit der EU abgewickelt", die Rechtsgrundlagen für eine freie Marktwirtschaft seien geschaffen, auch wenn die Implementierung von Gesetzen, deren Kontrolle und die praktische Rechtsdurchsetzung noch problematisch seien. Immer mehr würde sich auch die reale Wirtschaft Tschechiens in die EU integrieren, erklärt Handelsdelegierter Michael Angerer aus Prag: "Bereits 70% der Exporte gehen in die EU, 64,5% der Importe kommen von dort."
1999 war Tschechien nach Polen das zentraleuropäische Land mit den höchsten ausländischen Direktinvestitionen, die sich heuer dank verbesserter Investitionsbedingungen noch verstärkten. Belebend für den Handel mit der EU wirke sich ein Abkommen über Zertifizierungserleichterungen sowie das bereits seit 1. Juli bestehende Abkommen für den zollfreien Handel diverser Agrarprodukte aus. Der Handelsdelegierte In Pressburg, Josef Altenburger ortet zwar Probleme bei der Implementierung des EU-Rechtsbestandes in der Slowakei, dennoch sollen bereits bis 2002 sämtliche Kapitel ausverhandelt sein.
In sensiblen Bereichen wie Landwirtschaft, Umwelt, Freiheit des Personen- und Dienstleistungsverkehrs werde es Übergangslösungen geben müssen, aber: "Die von der EU bereit gestellten Mittel sind eine große Unterstützung für die Regierung", wie der Handelsdelegierte betont.