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Sarajewos Seilbahn, ein Friedenssymbol

Von Thomas Seifert

Politik

26 Jahre nach der Zerstörung im Krieg fahren die Gondeln wieder - ein Zeichen von wiedergewonnener Normalität.


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Sarajewo. Die Geschichte der vergangenen Woche wiedereröffneten Seilbahn von Sarajewo ist eine Geschichte von Krieg und Frieden. Zwischen den Stützen sieben und acht verlief in den frühen 1990er Jahren die Front, bei der Fahrt mit der Bahn kann man aus den Geländekonturen noch die Lage der Schützengräben und Artilleriestellungen von damals lesen, nicht weit von der Trasse stehen noch Häuserruinen.

In der Bergstation erinnert eine Steintafel an Ramo Biber, der am 2. März 1992 eines der ersten Opfer des Krieges in Bosnien wurde. Er hatte an diesem Tag gemeinsam mit seinem Kollegen Abdulah Rizvanovic seinen Dienst versehen, als eine Gruppe bewaffneter Milizen die Station umstellte. Rizvanovic konnte in den Wald fliehen, Biber wurde erschossen. Tags zuvor hatte Bosnien-Herzegowina seine Unabhängigkeit vom jugoslawischen Bundesstaat verkündet, 63 Prozent der der Stimmberechtigten nahmen damals am Referendum teil, 99,4 Prozent entschieden sich für die Unabhängigkeit - die bosnischen Serben folgten damals dem Aufruf des Anführers der bosnischen Serben Radovan Karadcic und boykottierten die Wahl.

Gleich als der Krieg begann kappten die Bosnien das Drahtseil, weil sie fürchteten, dass die Serben Bomben am Seil zu Tal gleiten lassen. Die Bergstation wurde von den serbischen Milizen zu einem Nest für Scharfschützen umfunktioniert.

Die Belagerung von Sarajewo Krieg in Bosnien begann in der Nacht vom 4. auf den 5. April 1992, als serbische Truppen den internationalen Flughafen einnahmen, und dauerte 1425 Tage - die längste Belagerung einer Stadt im 20. Jahrhundert. 11.541 Menschen verloren ihr Leben, rund 56.000 Bewohner von Sarajewo wurden teils schwer verletzt. Der Krieg endete mit der Unterzeichnung des Friedensabkommens von Dayton im Winter 1995. Seither sind die Förderation Bosnien-Herzegowina und die serbisch dominierte Republika Srpska ein Fleckenteppich aus verschiedenen ethnischen Gruppen und Verwaltungseinheiten, einer der am schwersten zu regierenden Landstriche Europas. Aber immerhin herrscht Frieden. Und langsam gelingt es Sarajewo, der geschichtsträchtigen Stadt, sich vom Schrecken der Vergangenheit zu lösen und Schritt für Schritt zur Normalität zurückzukehren.

Für Bürgermeister Abdulah Skaka ist die Wiedereröffnung der Seilbahn ein politischer Triumph. Denn die 33 Gondeln, die nun wieder fahren, sind für ihn ein Symbol dafür, dass die Stadt wieder an die Geschichte vor dem Krieg anknüpfen kann: Die Gondeln der Seilbahn sind in den olympischen Farben gehalten, und erinnern so an Sarajewos beste Tage: die Winterspiele aus dem Jahr 1984, als die Stadt stolz und selbstbewusst auf die Weltbühne trat und ein tolles Sportfest ausrichtete (in Österreich erinnert man sich freilich ungern an diese Spiele, denn die Medaillenausbeute war katastrophal). Die Seilbahn war damals neben der spektakulär schnellen Bobbahn eines der Wahrzeichen dieser Spiele.

Seilbahn als Bindeglied

Laut Bürgermeister Skaka verknüpft die Seilbahn wieder, was lange getrennt war. die bosnisch-muslimisch dominierten Viertel, wie den Altstadtbezirk Altstadt Barcarija, den Distrikt Bistrik und Babica Baca mit den serbisch besiedelten Berghängen, von denen damals auf die Stadt geschossen wurde.

Dass die Seilbahn wieder fährt, ist ein gutes Stück das Verdienst des niederländischen Kernphysikers und Investors Edmond "Eddy" Offermann. Der heute in den USA und der Schweiz lebende ehemalige Hedgefonds-Finanzjongleur ist mit der aus Sarajewo stammenden Kernphysikerin Maja Serdarevic verheiratet. 1991 besuchten die beiden den Berg, Offermann sagt, die "Aussicht auf das einem von dort zu Füßen liegende Sarajewo" sei "umwerfend" gewesen.

Offermann erzählt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung", wie es dazu kam, dass er schließlich 3,5 Millionen Dollar zum Wiederaufbau der Bahn spendete: Bei einem Essen mit der bosnischen Schriftstellerin Katia Celan habe er vollmundig schwadroniert: "Katia, die Bahn kommt zurück", dafür werde er sorgen. Doch aus der "verrückten Idee" wurde mehr: Offermann war mittlerweile an der Wall Street zu Geld gekommen. Er hatte mittlerweile in Saas-Fee in Bergbahnen investiert, als er von einer Machbarkeitsstudie zur Wiederherstellung der Bahn in Sarajewo hörte. "Ich habe den Professor, der die Studie publiziert hat angerufen, sage, hey, hier spricht Eddie Offermann aus New York. Und dann ging es Bam. Bam. Bam." Da war dann die Idee geboren, eine Bahn in Saas Fee in der Schweiz abzumontieren und in Sarajewo wieder aufzustellen. Diese Pläne scheiterten im Jahr 2011.

Bürgermeister Skaka erinnert sich, dass er im Jänner 2016 - genau 20 Tage im Amt - einen Brief auf seinem Schreibtisch vorfand, in dem Offermann sein Spendenangebot zurückzog, da er nicht mehr daran glaube, die Bahn verwirklichen zu können. Skaka nahm sich der Sache an, er konnte Offermann überzeugen "zurück ins Spiel zu kommen".

Schlag auf Schlag

Und dann ging alles Schlag auf Schlag: Im Sommer 2016 begannen die ernsthaften Planungen, im Sommer 2017 begann die Firma Leitner Ropeways mit dem Bau. Insgesamt wurden für die Errichtung der Seilbahn, sowie einem neuen Hotel an der Bergstation neun Millionen Euro ausgegeben: Die Talstation liegt auf 583 Meter Höhe, der Höhenunterschied zur Bergstation beträgt 577 Meter, zehn Masten waren zu errichten, die nun exakt an denselben Stellen stehen, an denen auch schon die Stützen der 1959 von einem tschechischen Anbieter montierten Gondelbahn standen. Bis zu 1200 Personen pro Stunde können mit der neuen Seilbahn in jede Richtung transportiert werden. Und so lassen es sich der Junior- und der Seniorchef der Seilbahnfirma aus Sterzing in Südtirol - Michael und Anton Seeber - nicht nehmen, zur Eröffnung zu kommen, denn auch ihnen ist der hohe symbolische Gehalt der Wiederrichtung der Bahn bewusst.

Diskussionen gab es um den Preis des Tickets, immerhin ist die Seilbahn eines der größten und auch teuersten Infrastrukturprojekte des Landes: Schließlich wurde entschieden, dass ein Ticket für eine Berg- und Talfahrt sechs Konvertibilna Marka - also drei Euro - kosten soll. "Ich möchte nicht, dass die Gondelbahn nur für die Wohlhabenden erschwinglich ist", sagt Bürgermeister Skaka. "Der Berg Trebevic gehört uns allen, er ist unser größter Naturpark. Da sollen auch alle hinauffahren können."