Japan überdenkt seine Atompolitik. | Sarkozy für neue Sicherheitsstandards. | Tokio. Weltweit einheitliche Sicherheitsstandards für Atomkraftwerke fordert Nicolas Sarkozy. Ansonsten bleibt die Atomkraft für ihn aber das, was sie schon immer war: eine wichtige Energiequelle, die dazu diene, den Klimawandel zu bekämpfen. Frankreichs Präsident verkündete dies gerade in dem Land, wo das Atomkraftwerk Fukushima nicht unter Kontrolle zu bringen ist. Als erstes Staatsoberhaupt seit der Katastrophe besuchte er am Donnerstag Japan.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Gastgeber Naoto Kan war da schon vorsichtiger. Japan werde seine Atompolitik überdenken, kündigte der Ministerpräsident an. Der geplante Bau von 14 neuen Reaktoren bis 2030 werde überprüft, alle sechs Reaktoren von Fukushima sollen für immer stillgelegt werden, erklärte Kan.
In Fukushima ist ohnehin nicht mehr viel zu retten. Weiterhin tritt Radioaktivität aus. Im Meer vor dem AKW sind Jod-Partikel mit einer 4385-fach höheren Konzentration als erlaubt gemessen worden. Der Versuch des AKW-Betreibers Tepco, die verstrahlten Trümmer mit Kunstharz zu besprühen, um die Radioaktivität zu binden, wurde unterbrochen, weil Regen dazwischen kam.
Ein besonderes Problem stellt das radioaktive Wasser dar, das die Techniker in den Reaktoren am Arbeiten hindert. Hier kommen wieder die Franzosen ins Spiel: Anne Lauvergeon, Chefin des französischen halbstaatlichen Atomkonzerns Areva, ist mit fünf Spezialisten noch vor Sarkozy in Japan eingetroffen.
Enge Bande
Areva, der größte Atomkonzern der Welt, macht etwa sieben Prozent seines Umsatzes in Japan. Er liefert die berüchtigten Mox-Brennelemente, die in Reaktor 3 von Fukushima für Unruhe sorgen. In Mox (Mischoxid) ist sowohl Uran als auch das hochgiftige Plutonium enthalten. Die letzte Lieferung aus Frankreich kam im August, die nächste soll laut Greenpeace dieses Monat geschickt werden. Abgebrannte Brennelemente hat Japan bisher im französischen Werk La Hague aufbereiten lassen, nach dessen Vorbild auch eine Anlage in Rokkashomura bald eröffnen soll. Und schließlich entwickeln Areva und Mitsubishi gemeinsam einen neuen Reaktortyp.
Nach Einschätzung Arevas wird es noch "eine lange Zeit" dauern, bis sich die Lage in Fukushima stabilisiere. Trotz der hohen Strahlungswerte, wie sie sogar im 40 Kilometer entfernten Iitate gemessen wurden, weitet die japanische Regierung die Evakuierungszone vorerst nicht aus. Dies hatten Internationale Atomenergiebehörde und die eigene Nuklearaufsicht empfohlen. Wird die Sperrzone um zehn Kilometer erweitert, müssen 136.000 Menschen evakuiert werden. In der engeren AKW-Umgebung können wegen der Radioaktivität nicht einmal bis zu 1000 Todesopfer geborgen werden, die der Tsunami vom 11. März gekostet hat.