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Sarkozy gegen Villepin: Finale im "Jahrhundert-Prozess"

Von WZ-Korrespondentin Birgit Holzer

Europaarchiv

Frankreichs Polit-Giganten bekämpfen sich bis aufs Messer. | Paris. Nein, hier wird kein Film gedreht. Zwar erwarten all die Kameraleute und die Schaulustigen vor dem Justizpalast in Paris einen Politkrimi mit abenteuerlichem Drehbuch. Doch er ist real - und kein Autor könnte den unerbittlichen Machtkampf zweier Erzrivalen eindrucksvoller schildern, als es Frankreichs "Clearstream-Affäre" tut, die seit vier Wochen vor Gericht verhandelt wird. Heute endet sie mit den Plädoyers der Verteidiger. Nicht aber der Kampf der Polit-Giganten Frankreichs.


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Das illustre Personal rechtfertigt die Bezeichnung "Jahrhundert-Prozess": Auf der Anklagebank sitzt unter anderem Dominique de Villepin, ehemaliger Innen-, Außen- und Premierminister; Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy tritt als Nebenkläger auf. Beteiligt sind weitere Größen aus Industrie und Politik. Doch erst die beiden Parteifreunde und Intimfeinde machen den Prozess zum viel beachteten Politskandal, der sich auf die Frage konzentriert: Wollte Villepin Sarkozy den politischen Garaus machen und ihn als Schwarzgeld-Empfänger bloßstellen? Oder inszeniert sich dieser in dem Prozess als Opfer, um seinen schärfsten Konkurrenten auszuschalten?

Er wolle "den Dreckskerl am Fleischerhaken baumeln sehen", der hinter dem versuchten Rufmord stehe, tobte Sarkozy, als er erfuhr, dass sein Name in verschlüsselter Form auf einer Konto-Liste des Luxemburger Finanzinstituts Clearstream stand. Diese führte angebliche Empfänger von Schmiergeldzahlungen aus einem Waffengeschäft Frankreichs mit Taiwan und wurde 2004 anonym der Justiz zugespielt. Bald flog sie als Fälschung auf und der Informatiker Imad Lahoud als Urheber, der im Auftrag des damaligen EADS-Vize-Chefs Jean-Louis Gergorin gehandelt haben soll. Insgesamt vier Männer sind neben Villepin angeklagt. Ihre Aussagen widersprechen einander, belasten aber einmütig den ehemaligen Premier: Er habe die Manipulationen gebilligt, um Sarkozy auf der Zielgeraden zur Präsidentschaftskandidatur ein Bein zu stellen. "Sarkozy ist am Ende", soll Villepin frohlockt haben. "Wenn die Zeitungen ihre Arbeit tun, überlebt er diese Affäre nicht."

Zu dieser Zeit buhlten die beiden fast gleichaltrigen Männer darum, ihren politischen Ziehvater Jacques Chirac im höchsten Staatsamt zu beerben. Beide kennzeichnet ein unbedingter Machtinstinkt und grenzenloses Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.

Noch augenfälliger aber sind die Unterschiede: Der aristokratische Dominique de Villepin, groß gewachsen und mit eleganter Silbermähne, ist Hobby-Poet und Absolvent der angesehenen Elitehochschule Ena. Seine Posten wurden ihm stets übertragen. Der kleingewachsene, energiegeladene Nicolas Sarkozy hingegen biss sich von Wahl zu Wahl nach ganz oben. Die Verfolgungsangst treibe ihn aber immer noch, analysiert Villepin. "Sarkozy ist ein Mann, der Angst hat. Er ist ein Poker-Spieler, der alles verlieren wird."