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"Berlusconisierung" in Frankreich befürchtet. | Neuer Fernsehchef steht Präsident nahe. | "Le Monde" widersetzte sich Sarkozys Drohung. | Paris. Selten war in Frankreich das Verhältnis zwischen Staat und Medien so gespannt wie heute: Staatspräsident Nicolas Sarkozy und Premierminister François Fillon werfen den Medien vor, "die Demokratie zu beschädigen". In ihr Visier geraten ist insbesondere der Internet-Dienst Mediapart des früheren "Le Monde"-Chefredakteurs Edwy Plenel, der mehrfach als Erster für den Präsidenten unangenehme Enthüllungen verbreitete.
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Während sich das Internet als unkontrollierbar erweist, hat Nicolas Sarkozy die in Frankreich übliche staatliche Einflussnahme in den klassischen Medien unverhohlen zur Chefsache gemacht. Aus seiner persönlichen Freundschaft zu den Bouygues - den Besitzern des meistgesehenen Fernsehsenders TF1 - sowie den Medienriesen Lagardère, Dassault oder Bolloré macht Sarkozy kein Hehl. Die Berichte über Interventionen des Staatschefs gegen Medienmenschen sind Legion.
Beobachter fürchten nun eine "Berlusconisierung" der Medienlandschaft. So sieht eine im März 2009 von Nicolas Sarkozy durchgesetzte Reform ein neues Verfahren zur Berufung der Präsidenten der staatlichen Fernsehgesellschaft France Télévisions und des staatlichen Rundfunks vor. Deren Ernennung war zuvor Sache des "Conseil Supérieur de lAudiovisuel" (CSA) - eines vom Staatschef sowie den Präsidenten von Parlament und Senat besetzten Gremiums. Dieses war aber stets der jeweiligen politischen Mehrheit gewogen. Statt nun dessen Unabhängigkeit zu stärken, erklärte Sarkozy, die "Verlogenheit" beenden zu wollen. Das heißt: Er entscheidet nun alleine. Sarkozys Beschluss wurde am Dienstag von einer Parlamentskommission bloß noch abgezeichnet.
Fernsehchef musste gehen
Wie stark damit Politik gemacht werden kann, erwies sich umgehend: Weil die Berufung des von Sarkozy favorisierten 37-jährigen Alexandre Bompard - ehemals enger Mitarbeiter von Premierminister François Fillon - als Chef von France Télévisions eine weitere Front gegen den derzeit schwer angegriffenen Sarkozy eröffnet hätte, wurde kurzfristig statt ihm der 56-jährige Rémy Pflimlin bestellt. Ihm muss der bisherige Amtsinhaber, Patrick de Carolis, weichen, dem seine Nähe zu Sarkozys Vorgänger und Gegner Jacques Chirac sowie unbotmäßige Kritik an Sarkozys Reform zum Verhängnis wurde.
Der liberale Pflimlin, ehemals Chefredakteur einer Regionalzeitung, gehört nicht zum Serail. Der gebürtige Elsässer war wegen seiner föderalen Überzeugungen und seiner guten Deutschkenntnisse vom scheidenden Arte-Chef Jérôme Clément als Nachfolger empfohlen worden. Die Tagespolitik entschied anders.
Bei der Berufung des 58-jährigen Jean-Luc Hees zum neuen Chefs von Radio France im Mai 2009 musste Sarkozy noch keine Rücksichten nehmen. Die Folge ist, so einer der Kommentatoren des Senders, ein "vergiftetes Klima": Auch wenn man tatsächlich "in Ruhe gelassen" werde, sei doch jede Entscheidung von Hees verdächtig. Seine Ernennung sei vor allem Zeichen einer "völlig unzeitgemäßen Bevormundung der audiovisuellen Medien" in Frankreich. Die ersten Anlassfälle für Kritik gab es schon, als Hees die beiden Satiriker Stéphane Guillon und Didier Porte entließ. Die beiden hatten Nicolas Sarkozy mit zugegeben nicht gerade feinem Spott übergossen. Die Beschäftigten von Radio France quittierten die Entlassung der widerborstigen Kollegen mit einer Solidaritätsdemonstration.
Auch die Presse fürchtet Sarkozys langen Arm. Der "Figaro" gehört dem Konzernchef und Senator der Präsidentenpartei Serge Dassault. Das aufmüpfige "Journal du Dimanche" im Besitz von Jean Luc Lagardère bekam mehrfach den präsidentialen Unmut zu spüren. Als schockierender Einmischungsversuch in die Geschicke der wichtigsten französischen Tageszeitung "Le Monde" wurde schließlich die Einbestellung ihres Chefs Eric Fottorino in den Elysée-Palast bewertet. Die notleidende Zeitung sucht nach einem Investor und Sarkozy ließ wissen, dass er vom linken Bewerbertrio Pierre Bergé, Xavier Niel und Matthieu Pigasse nichts halte. Sarkozy soll gedroht haben, eine staatliche Subvention zur Modernisierung der "Le Monde"-Druckerei streichen zu lassen.
Die Intervention verfehlte ihre Wirkung nicht: Alle zuständigen Gremien der Zeitung beschlossen Ende Juni trotzig, mit eben diesem Trio Exklusivverhandlungen aufzunehmen - zum Wohle der "Unabhängigkeit aller Titel der Gruppe". Für Frankreichs Medien ist das ein kostbares Gut.