Der Poker: Unpopuläre Maßnahmen | sollen Entschlossenheit demonstrieren.
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Paris. Präsident Nicolas Sarkozy lässt die Franzosen weiter zappeln. "Ich will heute nicht von mir sprechen", sagte er in einem einstündigen TV-Interview, das Sonntagabend ausgestrahlt wurde, und wies damit die Frage ab, ob er bei der Präsidentschaftswahl im April antreten will. Offiziell will Sarkozy seine Kandidatur nämlich erst im März bekanntgeben.
Dennoch sah der Fernsehauftritt ganz nach Wahlkampf aus. Der Präsident präsentierte sich als Mann der Tat, der der Krise mit einer Reihe von wirtschaftspolitischen Maßnahmen entgegen treten will. Weil es unpopuläre Vorschläge sind, sprechen Kommentatoren im Hinblick auf die Wahl davon, dass der Präsident hoch pokert. Die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer stößt bei der heimischen Opposition auf heftige Kritik, der Solo-Gang bei der Finanztransaktionssteuer, bei der Frankreich den Vorreiter machen will, ist international höchst umstritten.
Den Erlös aus der Anhebung der Mehrwertsteuer von 19,6 auf 21,2 Prozent will Sarkozy nutzen, um die Sozialabgaben auf niedrige Einkommen zu senken. Gleichzeitig soll die 35-Stunden-Woche abgeschafft werden. Aus dem Lager des sozialistischen Präsidentschaftskandidaten Francois Hollande, der in den Umfragen seit Wochen deutlich vor Sarkozy liegt, hieß es sogleich, dass dieser im Falle seiner Wahl die Steuererhöhung rückgängig machen würde. Die Parteichefin der Sozialisten, Martine Aubry, warf dem Präsidenten vor, er habe zu Beginn seiner Amtszeit die Reichen begünstigt und wolle nun kurz vor Ablauf seiner Amtsperiode die Mittelschicht zahlen lassen.
Als erstes europäisches Land will Frankreich ab August eine Finanztransaktionssteuer einführen. Ein Steuersatz von 0,1 Prozent soll für jedes Unternehmen gelten, das einen Sitz in Frankreich hat, eine Milliarde Euro sollen dadurch in die Staatskassen fließen.
Merkel in Bedrängnis
Die kapitalismuskritische Organisation Attac hält die Höhe der Steuer für viel zu gering, bei den europäischen Partnern ist man über den Alleingang unglücklich. Großbritannien blockiert eine Einigung in allen 27 EU-Staaten, weil es um seinen Finanzplatz London fürchtet. In Deutschland wird auch von der CDU eine Einführung nur in der Eurozone überlegt, dabei legt sich allerdings der Koalitionspartner FDP quer, der eine derartige Regelung ohne die Briten für sinnlos hält.
Sarkozy bringt mit seinem Vorstoß daher auch Kanzlerin Angela Merkel in Schwierigkeiten, nehmen doch die SPD und die Grünen die Gelegenheit wahr, den Zwist in der Regierungskoalition zu schüren und die Einführung einer Abgabe auf Börsengeschäfte auch für Deutschland zu fordern. Sarkozy betonte aber dennoch die Bedeutung der deutsch-französischen Achse bei der Bewältigung der Schuldenkrise.