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Sarkozys Pläne stoßen auf Protest

Von Klaus Huhold

Europaarchiv

Experte: EU muss sich mehr in sensibler Mittelmeerregion engagieren. | Türkei fürchtet wegen Sarkozys Initiative um EU-Beitritt. | Wien/Paris. Es ist eines der umstrittensten Projekte von Nicolas Sarkozy: Die Mittelmeerunion, die rund 25 Staaten umfassen soll. In der EU regt sich Widerstand gegen die Initiative von Frankreichs Präsidenten. Vor allem Deutschland fürchtet, dass Paris dadurch einen Keil in die EU-Außenpolitik treibt. Berlin plädiert daher für eine Annäherung an die Mittelmeerstaaten durch eine gemeinsame EU-Nachbarschaftspolitik.


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Ein weiteres Argument der Kritiker: Durch den 1995 gestarteten Barcelona-Prozess bestehe bereits eine Partnerschaft der EU mit zehn Mittelmeerstaaten. In dieser wurde eine Zusammenarbeit im politischen und wirtschaftlichen Bereich festgeschrieben.

Keine guten Ergebnisse

Doch genau dieser Barcelona-Prozess führe nicht zu den gewünschten Ergebnissen, meint der Direktor der Diplomatischen Akademie Maltas, Stephen Calleya. Der Handel zwischen der EU und vielen Mittelmeerstaaten würde nicht richtig in die Gänge kommen. Das zunehmende wirtschaftliche Ungleichgewicht zwischen Nord und Süd würde wiederum den Extremismus befördern und massive Flüchtlingsbewegungen nach Europa auslösen. Europa müsse sich daher stärker in der sensiblen Region engagieren, der Barcelona-Prozess um eine Mittelmeerunion ergänzt werden, sagte Calleya bei einem Vortrag in der Diplomatischen Akademie in Wien.

Die ersten Projekte Sarkozys würden laut Calleya schon auf einen Wirtschaftsaufschwung in verschiedenen Mittelmeerstaaten abzielen. So investieren nach Staatsbesuchen Sarkozys französische Ölfirmen massiv in Algerien, und der Industriekonzern Alstom rüstet in Marokko ein Gaskraftwerk im Wert von rund 200 Millionen Euro aus. Kritiker meinen jedoch, dass Sarkozy lediglich neue Absatzmärkte für Frankreich schaffen wolle - wozu letztlich auch die Mittelmeerunion diene.

Doch bei aller Kritik hat Sarkozy schon die ersten Partner für seine Initiative gefunden. Italien und Spanien unterstützen die Mittelmeerunion.

Aus manchen Staaten außerhalb der EU kommt aber Ablehnung: So beschied der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan, dass Sarkozys Vorhaben "keine Basis" habe. Die Regierung in Ankara fürchtet, dass die Initiative Sarkozys darauf abzielt, den EU-Beitritt der Türkei auszuhebeln und durch eine Partnerschaft innerhalb der Mittelmeerunion zu ersetzen.

Libyens Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi wiederum zeigte sich "begeistert" von der Mittelmeerunion. Doch stellte Tripolis eine Bedingung: Israel dürfe nicht dabei sein. Der Einspruch aus Frankreich kam prompt: Das Projekt sei ohne Israel nicht vorstellbar, sagte Außenminister Bernard Kouchner.

Gipfel am 14. Juli

Sarkozy hat also noch einen steinigen Weg zu gehen, damit seine Idee Wirklichkeit wird. Weitere Schritte will er vor allem während des französischen EU-Vorsitzes im zweiten Halbjahr 2008 setzen. Ausgerechnet am 14. Juli, am französischen Nationalfeiertag, plant Sarkozy einen Gipfel sämtlicher Mittelmeeranrainer und EU-Staaten. Ob sich die Skeptiker dann von einer Mittelmeerunion überzeugen lassen, wenn Frankreichs Soldaten mit Pomp durch Paris paradieren, bleibt aber fraglich.