Zum Hauptinhalt springen

Sarkozys Speck muss weg

Von Alexander U. Mathé

Analysen

Selbstzensur in Frankreichs Medien? | Sie sind der Schrecken der Schwimmbäder, Erotikkiller und unansehnlich: die Rundungen um den Leib, auch bekannt als Bierbauch. Einst zweifelhaftes Zeichen männlichen Wohlstands, ist er heute so beliebt wie eine Kakerlakenplage.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Manch einer, wie Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, versucht, ihn mit hartem Training wegzubekommen. Bis zum Abwinken berichten französische Medien, dass sich das Staatsoberhaupt toll in Form halte und Jogging betreibe, dass jedes Duracell-Häschen vor Neid erblassen würde. Alles vergebene Liebesmüh, denn der Bauch blieb, was ein Blick auf Urlaubsfotos des Präsidenten unlängst verriet.

Da sahen sich die Grafiker des populären Magazins "Paris Match" gezwungen nachzuhelfen und retuschierten die Speckschwarte (Bierbauch träfe nicht zu - Sarkozy ist Antialkoholiker) einfach weg. Diese Vorgehensweise wirft ein seltsames Licht auf die mediale Kultur in Frankreich. Denn bereits seit langem warnen Betroffene, Insider und Gewerkschaften vor einer zunehmenden Einschränkung der Pressefreiheit. Sie stört Sarkozys hartes Vorgehen gegen unliebsame Berichterstattung. Von Drohungen, Beschimpfungen und Zwängen ist die Rede.

Pikanterweise hatte ausgerechnet "Paris Match" noch vor zwei Jahren entgegen den Wünschen Sarkozys groß über eine Affäre seiner Frau Cécilia berichtet. Der Chefredakteur des Blattes, das Teil des Medienimperiums von Sarkozy-Intimus Arnauld Lagardère ist, wurde daraufhin gefeuert. Nachgeschossen wurde im Blatt eine seitenlange Lobeshymne auf den damaligen Präsidenten in spe, bei deren Verfassung die Redakteure vor Scham sogar geweint haben sollen. Doch die Zeiten sind vorbei und direkte Anweisungen offenbar nicht mehr nötig.

Die Reaktion auf die Foto-Retusche gibt zu denken: Die Angelegenheit wird als Kuriosum behandelt. Ein völlig anderes Berufsethos legte da die deutsche Presse an den Tag. Ein Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks hatte im Jahr 2005 in der Online-Ausgabe des Senders die Schweißflecken unter den Armen der damaligen CDU-Vorsitzenden Angela Merkel wegretuschiert und damit für einen handfesten Skandal gesorgt. Der Deutsche Journalisten-Verband empörte sich und der Sender entschuldigte sich für den Verstoß gegen journalistische Prinzipien.

Wenn ihn Journalisten nicht gerade angreifen, ist Sarkozy jedoch für Berichte über ihn sehr empfänglich. Er soll dafür gesorgt haben, dass die Autorin des Porträtbuchs "Die Dämmerung, der Abend oder die Nacht" in aller Freiheit arbeiten konnte. Besonders kritisch ist das Buch aber nicht. Es enthält keine sensationelle Enthüllungen oder politische Analysen und mit keinem Wort wird die eigenwillige Cécilia erwähnt.