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Sarkozys Zitterpartie

Von Reinhard Göweil

Leitartikel

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Egal, ob Dominique Strauss-Kahn sich entschließt, für die französische Präsidentschaft anzutreten oder nicht, er wird Hauptfigur sein in der politischen Auseinandersetzung. Die Sozialisten in Paris sprechen offen von einer Falle, die ihm gestellt worden sei. Die moralische Wertung des sexuellen Kontakts mit dem New Yorker Zimmermädchen wird relativiert, weil seine Frau ihn in unglaublicher Weise unterstützte - und letztendlich aus dem Gefängnis holte. Wenn sich also nun herausstellen sollte, dass Manager der französische Hotelgruppe Accor (in deren Sofitel sich alles abspielte) die Finger im Spiel hatten, werden die Konservativen in Frankreich peinliche Fragen beantworten müssen.

Die Accor-Eigentümer sind recht eng mit Nicolas Sarkozy. Dazu kommt, dass die französische Internet-Zeitung "atlanctico.fr" auffallend gut und früh informiert war - deren Herausgeber ist der frühere Wahlkampfleiter von Sarkozy. Sozialisten sind zudem der Meinung, dass "französische Nachrichtendienste" eine Rolle gespielt hätten. Nun muss mit Verschwörungstheorien behutsam umgegangen werden, vieles daran stimmt nicht. Aber ein Teil eben doch, ausreichend für eine politische Debatte. Und die kennt einen Verlierer: Nicolas Sarkozy - egal was er davon wusste.

Auf Europa hat dies eminenten Einfluss, denn Frankreich sitzt bei vielen EU-Themen auf dem Fahrersitz und ist das einzige Land, das Deutschland mitziehen kann. Das hat sich bei der Beteiligung privater Banken an der Griechenland-Sanierung gezeigt. Frankreichs Modell wird nun kopiert.

Allein aus diesem Grund ist es nicht egal, wer im Élysée-Palast sitzt. Frankreich ist darüber hinaus - neben Großbritannien - die schlagkräftigste Militärmacht in Europa. Frankreich und seine Geheimdienste sind führend in Libyen tätig.

Sarkozy hat in der Finanzkrise Führungsqualität beweisen, aber er ist auch ein skrupelloser Machtpolitiker. Wenn die Anklage gegen Strauss-Kahn zusammenfällt, wird in Frankreich niemand glauben, dass dies ein bloßer Fehler der New Yorker Polizei gewesen ist.

Noch glauben viele Franzosen, dass "DSK" antreten wird. Aber selbst wenn nicht, wird er Sarkozy schaden. Frankreichs Sozialisten müssen sich dabei allerdings auch die Frage stellen, ob sie das Risiko eingehen wollen, dass am Ende der Schlammschlacht die rechtsnationale Marine Le Pen als Gewinnerin dasteht.