Zum Hauptinhalt springen

Satan, Reue und die Buwog

Von Daniel Bischof

Politik

Die ersten zwei Verhandlungswochen im Grasser-Prozess sind vorbei. Zeit für einen Rückblick und eine erste Zwischenbilanz.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Ein überraschendes Geständnis, markante Sprüche, stundenlange Plädoyers und Einvernahmen: Sie prägten die ersten zwei Verhandlungswochen im Buwog-Prozess. Sieben Tage wurde bisher im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts verhandelt. Was ist passiert? Welche Schlüsse lassen sich ziehen? "Die Wiener Zeitung" erstattet eine Zwischenbilanz.

Wie ist der Prozess bisher verlaufen?

Karl-Heinz Grasser habe ein korruptes System aus "Geld, Gier und Geheimnissen" aufgebaut, als Finanzminister habe er "in die eigene Tasche gewirtschaftet". Mit scharfen Worten hatten die Oberstaatsanwälte Alexander Marchart und Gerald Denk den Ex-Politiker in ihrem Eröffnungsplädoyer kritisiert. Bei der Privatisierung der Bundeswohngesellschaften (Buwog und andere Gesellschaften) 2004 und der Einmietung der Finanz in den Linzer Terminal Tower 2006 seien Schmiergelder an Grasser und Co. geflossen, so ihr Vorwurf.

Grassers Verteidiger Manfred Ainedter holte zugleich zum verbalen Rundumschlag aus: "Die Anklage wird schmelzen wie ein Schneemann in der Sonne." Grasser werde als der "Satan schlechthin" dargestellt, so Ainedter. Doch gebe es keine Beweise für seine Schuld. Norbert Wess, Grassers zweiter Rechtsanwalt, schoss sich in seinem fünfstündigen (!) Plädoyer ebenfalls auf die Oberstaatsanwälte ein: "Mein Mandant ist beruflich ruiniert. Operation gelungen, Patient tot."

Nach weiteren Eröffnungsvorträgen kam es am vergangenen Freitag dann zum Knalleffekt: Peter Hochegger bekannte sich über seinen Anwalt Leonhard Kregcjk für teilschuldig. Sein Mandant wisse, dass von der Buwog-Provision jeweils 2,4 Millionen Euro an Grasser, den Ex-Lobbyisten Walter Meischberger und den Ex-Immobilienmakler Ernst Karl Plech geflossen seien. Sein Mandant habe "aus Profitgier" zwei Millionen Euro eingesteckt, so Kregcjk.

Seitdem versuchen die Mitangeklagten und die Verteidiger, Hocheggers Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen. "Für mich ist klar, dass hier PR-Mann Hochegger versucht, sich mit der Unwahrheit freizukaufen und dass er dabei nicht davor zurückschreckt, andere in den Schmutz zu ziehen", meinte etwa Grasser.

Als erster Angeklagter wurde dann auch Peter Hochegger einvernommen. Er gab sich reumütig. Er sei Teil eines Systems gewesen, in dem sich Vorstände, Aktionäre und Politiker durch Insider-Informationen bereichern würden. Hochegger erklärte, im Herbst 2005 erstmals vom Bankberater W. erfahren zu haben, dass ein Teil der Buwog-Provision an Grasser gegangen sei. Hocheggers Aussagen seien "Fake News, sagte der Bankberater daraufhin im ORF. Mehr wolle er dazu nicht sagen, weil er auch als Zeuge geladen sei.

Was wurde aus den
Befangenheitsvorwürfen?

Ein großes Thema im Vorfeld des Prozesses und am ersten Verhandlungstag war die angebliche Befangenheit von Marion Hohenecker, der vorsitzenden Richterin des Schöffensenats. Manfred Hohenecker, ihr Mann, hatte Grasser im Internet diffamiert und vorverurteilt. Deswegen sei auch seine Frau befangen, argumentierten die Verteidiger und stellten Ablehnungsanträge. Hohenecker gab ihnen nicht statt: "Es entspricht nicht dem Zeitgeist, einer Richterin die Meinung des Ehemanns kritiklos umhängen zu wollen", sagte sie.

Die Sache könnte in einigen Jahren aber noch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) landen, deuteten mehrere Verteidiger an.

Sollte der EGMR die Befangenheit Hoheneckers und eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren feststellen, müsste der Buwog-Prozess wohl neu durchgeführt werden. "Ich habe aber nicht den Eindruck, dass der EGMR so angeklagtenfreundlich ist. Alleine der Umstand der Äußerung des Ehegatten wäre dem EGMR wohl zu wenig, um den Anschein der Befangenheit zu begründen. Da müsste die Vorsitzende im Verfahren auch noch entsprechend agieren", sagte Alexander Tipold, Professor am Institut für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Wien, zur "Wiener Zeitung".

Wie verhält sich Richterin Hohenecker?

Die vorsitzende Richterin tritt solide und resolut auf. Den teilgeständigen Hochegger griff sie nicht mit Samthandschuhen an. In seiner Vernehmung nahm sie ihn immer wieder in die Mangel, sie hakte nach und bezweifelte so manche seiner Aussagen.

Ihrer gründlichen Verfahrensführung zollte auch Ainedter Respekt: "Sie ist sehr genau, sehr penibel, sehr gewissenhaft. Da gibt es nichts zu bemängeln." Auch beweist Hohenecker Humor. So beschwerte sich Rechtsanwalt Wess, dass er aufgrund des vor ihm stehenden Bildschirms und seines tiefen Sitzplatzes nicht einmal den Haaransatz der Richterin sehen könne. "So schön ist der eh nicht", erwiderte sie trocken. Die Bildschirme ließ sie trotzdem umstellen.

Wie lange wird die Verhandlung noch dauern?

Eine Verfahrensdauer von über einem Jahr erscheint nicht unrealistisch. In sieben Verhandlungstagen konnten gerade einmal die Eröffnungsplädoyers abgeschlossen und mit der Einvernahme von Hochegger begonnen werden. Alleine von Hohenecker wurde der Ex-Lobbyist zwei Tage lang vernommen - nach der Winterpause wird er auch noch von den Anklägern, Privatbeteiligtenvertretern und Verteidigern befragt werden.

Nach den wohl ebenfalls sehr lange dauernden Einvernahmen der anderen dreizehn Angeklagten werden unter anderem die 166 geladenen Zeugen befragt werden. Das Verfahren kann sich also noch ordentlich in die Länge ziehen. Gewiss ist nur eines: Am 9. Jänner geht es mit der Einvernahme von Hochegger weiter.