Projekt zum Schutz gefährdeter Regen- und Tropenwälder. | Klimawandel durch Erdbeobachtung verstehen lernen. | Stresa/Lago Maggiore. Die illegale Abholzung von tropischen Regenwäldern und Waldbrände zeichnen für 20 Prozent des weltweiten CO2-Ausstosses verantwortlich.
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Damit ist die Entwaldung nach der Industrie die zweitgroesste Quelle klimaschädlicher Treibhausgase. Die Umweltwissenschafterin Manuela Hirschmugl vom Grazer Joanneum hat mit einer Pilotstudie im Regenwald von Kamerun - gestützt auf Satellitenbilder und In-situ Daten - das Ausmaß der großflächigen Walddegradation sichtbar gemacht. Beim internationalen Erdbeobachtungssymposium (ISRSE 33) mit 800 Wissenschaftlern legte sie unlängst im italienischen Stresa ein Modell für ein Satelliten-basiertes Entwaldungsmonitoring vor.
Bei der im Dezember in Kopenhagen stattfindenden UN-Klimaschutzkonferenz (Cop 15) soll die Reduktion von Emissionen durch Entwaldung und Walddegradation (Redd) beschlossen werden. Ziel ist, mit der Erdbeobachtung aus dem Weltraum (Remote Sensing) eine nachhaltige Waldbewirtschaftung in den Urwäldern zum Schutz globaler Ökosysteme durchzusetzen.
"Am meisten geschockt hat mich die Armut in den Dörfern", erzählt Manuela Hirschmugel im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" von ihrer ersten Mission im afrikanischen Regenwald im November und Dezember 2008. Kein Strom, kein fließendes Wasser und das Leben der Kamerunis in Lehmhütten am Rande von Savanne und Regenwäldern mußte die 31jährige Jungwissenschaftlerin "erst mal verdauen", wie sie sagt.
Schadensfeststellung
Das neunköpfige Team von österreichisch-deutschen Umweltexperten und Vertretern des Forstwirtschaftsministeriums Kameruns übernachtete während der Feldarbeit in der Tiefe des Regenwaldes in Zelten. Sonnenauf- und Sonnenuntergang bildeten den Tagesrhythmus der Waldforscher. "Mit Hilfe flächendeckender, multitemporaler Satellitendaten werden die Entwaldung kartiert, die Landnutzung klassifiziert sowie Methoden zur Erkennung von Walddegradation entwickelt", erklärt Hirschmugl vom Institut für Digitale Bildverarbeitung am Grazer Joanneum.
Mit einem Satelliten-gestützen GPS-Handsystem ausgestattet, kämpfte sich das Wissenschafterteam in Kamerum Quadratkilometer um Quadratkilometer durch den Regenwald. Vor Ort führte Hirschmugl einen Abgleich mit den Satellitenkarten durch, um Äcker vom Grasland zu unterscheiden beziehungsweise gerodete Flächen genauestens vermessen zu können. "Hemdsärmelig haben wir dann abends vor unseren Zelten gesessen und die handschriftlichen Aufzeichungen in den Laptop eingegeben und so Punkt für Punkt ins Koordinatennetz übertragen", berichtet sie. So wurden auch die Forstbehörden Kameruns mit der Verarbeitung der ermittelten Daten und für die Empfindlichkeit des Ökosystems sensibilisiert.
Satellitenaugen sollen in Zukunft noch sehr viel genauer als bisher Regen- und Tropenwälder beobachten. Die Rodung von jährlich rund 14 000 Hektar addierte sich in den letzten zehn Jahren zu einem Waldverlust von nahezu zehn Prozent. "Damit stellt der Raubbau der Wälder nach der Industrie mit einem Anteil von 20 Prozent die zweitgrößte CO2-Belastung auf der Erde dar", sagt Alan Belward vom Afrika-Observatorium an der EU-Forschungsstelle im italienischen Ispra. "Rund ein Drittel der Waldflächen Zentralafrikas sind unzugänglich und können nur mit Satellitenaugen exakt kartiert und beobachtet werden." Nur in Zusammenarbeit mit den legalen Holzeinschlagsunternehmen und GPS-gestützter Dokumentation am Boden könne dem illegalen Kahlschlag künftig Einhalt geboten werden.
Bessere Technologie
Die Arbeit in der Tiefe des Regenwaldes von Kamerun hat sich gelohnt. Zusammen mit einem vergleichbaren Pilotprojekt in Bolivien unter Federführung der Münchner Entwicklungshilfegesellschaft Gaf AG soll Remote Sensing künftigt ein entscheidendes Instrument zur Überwachung des Kohlenstoffeintrags durch Biomasse auf der Erde werden. "Die Reduktion von Emissionen, verursacht durch Entwaldung und Degradation von Waldflächen, stellt eine Vision einer nachhaltigen Waldwirtschaft für die Tropen- und Regenwälder dar", knüpft Gaf-Projektleiter Thomas Häussler Hoffnungen an die Kopenhagener Konferenz. Mit der Auswertung von Satellitendaten und der Biomasse-Inventur bedrohter Ökosysteme in Kamerun und Bolivien werde ein realistischer Weg aus der globalen Waldkrise aufgezeigt.
Redd wird einen steigenden Bedarf an Erdbeobachtungssatelliten zur Waldüberwachung nach sich ziehen, glaubt auch der deutsche Wissenschaftsaustronaut Thomas Reiter. "Was wir über das Klima wissen, wissen wir durch Remote Sensing. Die Erdbeobachtung via Satellit ist der wichtigste Rohstoff, um den Wandel des Klimas, den Anstieg der Meeresspiegel und Veränderungen der Eisschichten in der Arktis besser verstehen zu lernen", unterstrich Reiter beim internationalen Erdbeobachtungssymposium in Stresa. Er hofft darauf, dass die aus dem All sichtbaren "blutenden Wunden" der Regenwälder durch schärfere Satelliten und eine bessere internationale Kooperation in Zukunft enttarnt und vermieden werden könnten.
Die Hoffnung zielt auf den von der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelten TanDEM-X-Satelliten mit hochauflösendem SAR-Radar im L-Band und einer Schärfe von bis zu 30 Zentimetern ab. Reiter: "Mit diesen Ende des Jahrzehnts einsatzfähigen Satellitenaugen können wir dann nicht nur die Baumkronen zählen, sondern durch den Blätterwald hindurch bis auf den Boden blicken."