Österreichischer Kleinsatellit "Pegasus" soll in einer Flotte von 50 ähnlichen Geräten ins All starten.
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Wien. Mit Pegasus verbinden die meisten Menschen ein geflügeltes Pferd, das Kind des griechischen Meeresgottes Poseidon und der Gorgone Medusa. Für Dominik Kohl steht der Name jedoch für etwas anderes, vielleicht sogar größeres. "Pegasus" ist für den Studenten der Technischen Universität Wien so etwas wie sein erster Flug. Als Präsident des Space Teams der TU baut er mit seinen Kollegen den Bordcomputer für Österreichs neuen Kleinsatelliten, der nach dem fliegenden Pferd benannt ist und in genau einem Jahr ins All abheben soll.
"Das sind Prototypen", sagt Kohl und hebt eine mit Chips und winzigen Rechnern bestückte Leiterplatte nach der anderen liebevoll hoch: "Wir machen derzeit Belastungstests." Wenn die Computer von der Größe einer CD den Tests standhalten, werden sie - wie Bretter in ein Bücherregal - Platte für Platte ins Satelliten-Gehäuse geschoben - Bordcomputer, Funkmodul, Energiemanagementsystem, Batterie. "Das Tolle ist, dass der Bordcomputer Teile abschalten kann, die plötzlich nicht mehr funktionieren. Dann ist der kaputte Part lahmgelegt, aber der Rest funkt weiter Daten zur Erde", sagt Kohl: "Es gibt nämlich nichts Schlimmeres in der Raumforschung, als wenn ein Satellit plötzlich schweigt und man erfährt nie, warum." Die Besucher dürfen die kleinen technischen Wunder mit speziellen Handschuhen angreifen. Im Jänner 2016 soll der 10x10x20 Zentimter große und nur zwei Kilo schwere "Pegasus" mit ihnen im Bauch ins All starten.
"Pegasus" ist nicht der erste österreichische Satellit. 2013 wurden mit "Tugsat-1" und "Uni Brite" zwei Sonden gestartet, die Sterne erforschen und die Erde in rund 800 Kilometer Höhe umkreisen. An "Pegasus" arbeiten die TU Wien, die Fachhochschule Wiener Neustadt, die Universität Wien und das Österreichische Weltraum Forum mit. Das Gerät ist Teil eines internationalen Netzwerks von Kleinsatelliten. Im Schwarm werden sie über mehrere Monate hinweg die Thermosphäre erkunden.
Erkundung der Thermosphäre
Die Thermosphäre ist die zweitäußerste Schicht der Erdatmosphäre. Sie erstreckt sich in einer Höhe von 85 bis 600 Kilometern über der Erde und schützt vor energiereicher, gesundheitsschädlicher Röntgen- und UV-Strahlung. Es ist jedoch nur wenig über diese Schutzhülle bekannt. "Wetter- und Klimaforscher haben kaum Daten aus der Thermosphäre, weil noch niemand gemessen hat", erklärte Franz Kerschbaum vom Institut für Astrophysik der Universität Wien bei der Präsentation von "Pegasus" in Wien am Mittwoch.
Der Grund für die Erkenntnislücke: Die Reibung der Thermosphäre würde jeden Forschungssatelliten nach wenigen Monaten zum Absturz bringen. Einen großen, leistungsstarken Satelliten hier hin zu bringen wäre somit eine kurze, aber teure Mission. Dennoch musste ein Weg gefunden werden, um sie zu unternehmen. Denn Messdaten aus der Thermosphäre könnten wertvolle Informationen darüber liefern, wie Treibhausgase das globale Wetter beeinflussen und die Erderwärmung beschleunigen.
Damit dieser Erkenntnisschatz gehoben werden kann, wurde ein internationales Projekt für kleine Forschungsraum-Missionen ins Leben gerufen. "QB50" hat ein Gesamtbudget von 15 Millionen Euro aus dem 7. EU-Forschungsrahmenprogramm (2007-2013) und wird vom belgischen Von Karmen Insitut für Strömungstechnik geleitet. Im Mittelpunkt steht die Verwendung von 50 Cube Sats. Es handelt sich dabei um kostengünstige Mini-Satelliten, die inklusive Antrieb, Höhenmesser, Ausrichtungskontrolle, Bordcomputer, Funkverbindung zur Erde, Kamera, Datenverarbeitungssystem, Antennen, Solarpaneele und Batterie über alle Funktionen eines normalen Satelliten verfügen. Statt 15 bis 20 benötigt ein Cube Sat aber nur zwei Jahre von der Entwicklung bis zum Start bei Kosten von 50 bis 500.000 Euro pro Stück.
Da ein einziger Cube Sat zu klein wäre, um die Sensorik für gute wissenschaftliche Forschung mitnehmen zu können, wird eine Satellitenflotte mit identischen Sensoren benötigt, wie ein Netzwerk sollen sie Messdaten in der unteren Thermosphäre in einer Höhe von 200 bis 380 Kilometern Höhe sammeln und an Bodenstationen weltweit funken.
Das Projekt zielt laut der Homepage von QB50 auf einen Lerneffekt ab. In der Praxis heißt das, dass Studenten für ihre Tätigkeit nicht bezahlt werden. Dominik Kohl kümmert das wenig: "Wir Studenten sind maßgeblich beteiligt und können unsere bisher erworbene Expertise anwenden", sagt er. Insgesamt sind in Österreich 40 Studenten in das 250.000 bis 400.000 Euro teure - je nachdem, ob nur ein Flugmodell oder wie üblich auch ein zweiter, baugleicher Satellit konstruiert wird - Projekt involviert.
Brasilianische Rakete
Die 50 Kleinsatelliten sollen mit einer Rakete vom Typ Cyclone-4 von Brasilien aus "wie in einer Perlenreihe" einer nach dem anderen in einer Erdumlaufbahn von 350 bis 380 Kilometern Höhe ausgesetzt werden. Carsten Scharlemann von der Fachhochschule Wiener Neustadt geht von einer Lebenszeit von drei bis neun Monaten pro Satellit aus, "je nachdem, in welche Höhe uns die Rakete tatsächlich bringt". 32 der 50 Geräte müssen einwandfrei funktionieren, damit die Mission als Erfolg gilt.
Jeder der 50 Satelliten muss sich für eines von drei Instrumenten entscheiden, mit denen Ionen und Neutralteilchen, atomarer Sauerstoff und Elektronendichte und -temperatur des Plasmas untersucht werden. Auf letztere Aufgabe wird sich das Gerät auf "Pegasus" konzentrieren.