Die Suche nach Wegen, um Hunger weltweit zu stillen. | FAO: Produktivität und Einkommen der Bauern stärken. | Wien. Die Welt steuert auf eine Nahrungskrise zu: Von den 6,8 Milliarden Menschen, die heute auf der Erde leben, hungert eine Milliarde. 2050 wird die Weltbevölkerung auf 9,2 Milliarden Menschen gewachsen sein. Um den Bedarf aller zu decken, muss sich laut der Welternährungsorganisation FAO die Lebensmittelproduktion verdoppeln.
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Hinzu kommt eine Verwestlichung der Ernährungsgewohnheiten: Die Bewohner der Entwicklungs- und Schwellenländer wollen sich nicht nur mehr von Getreidekost ernähren. Der Appetit auf Fleisch und Milchprodukte steigt beständig.
Unter dem Motto: "Was benötigt die Welt, um all ihren Bewohnern Nahrungsmittelsicherheit zu bieten?" tagt bis heute Freitag in Paris eine zweitägige OECD-Agrarkonferenz.
Die Zurufe an die reichen Staaten von außen sind deutlich: "Das Problem ist, dass die OECD zu sehr darauf fokussiert war, wie das Angebot an Lebensmitteln erhöht werden kann. Die Kernfrage ist aber, wie die Hungernden zu mehr Einnahmen kommen", erklärt Marita Wiggerthale von der Hilfsorganisation Oxfam. Es gebe global genügend Lebensmittel, nur die Menschen in Indien, China oder Afrika könnten sie sich nicht leisten. Der Großteil der mangelernährten Bevölkerung sind Kleinbauern, denen die Kapazitäten fehlen, um ihre Familie zu versorgen.
Schuld daran ist laut Agrarökonomen die starke Subventionspolitik der Industrienationen. Weil Nationen wie etwa die USA jahrelang Zuschüsse für Mais und Reis zahlten, waren die Produkte zu Dumpingpreisen auf dem Weltmarkt erhältlich. "Aufgrund der billigen Versorgung aus dem Ausland fehlte für die lokalen Bauern und Regierungen der Anreiz, ihren Agrarsektor auszubauen", so Wiggerthale. Genau hier, bei der Forcierung der kleinräumigen Landwirtschaft, müssten Hilfsmaßnahmen in Zukunft ansetzen.
Produktion verbessern
Der Handlungsraum ist allerdings eingeschränkt: "Die landwirtschaftliche Nutzfläche weltweit ist ausgeschöpft, deshalb kann eine Steigerung der Nahrungsmittel nur über eine effizientere Produktion erfolgen", so der deutsche Agrarökonom Harald von Witzke. Kurzfristig sieht er die Aufgabe der reichen Länder darin, Pflanzenschutz, Mineraldünger und modernes Saatgut zur Verfügung zu stellen. Immerhin gingen derzeit rund 40 Prozent des Ertrages in Entwicklungsländern durch Pflanzenschädlinge verloren.
Langfristige Rettungsanker sind Investitionen in die Agrarforschung, in Ausbildung und Infrastruktur vor Ort, glaubt David Dawe, Senior-Volkswirt bei der FAO. Diese würden das notwendige wirtschaftliche Umfeld und Arbeitsplätze schaffen.
Dass Gentechnik den Hunger in der Welt stillen kann, hält Dawe im Moment für wenig wahrscheinlich. Gentechnik habe zwar Potential - allerdings würden Forschungen im Bereich Futtermais und Sojabohnen, wie sie aktuell die USA betreiben, eher der Viehwirtschaft als der hungernden Bevölkerung nützen. Kritiker vom Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen betonen zudem, dass dieser zu Monokulturen führe und die Bodenfruchtbarkeit beeinträchtige.
Preise werden volatiler
Ein Sorgenkind von Agrarökonomen ist auch die Preisentwicklung für Agrarprodukte: Nach der Preisexplosion 2008 - diese war vor allem auf fehlende Lagerbestände, aber auch auf Spekulationsgeschäfte mit Agrarrohstoffen zurückzuführen, - glaubt FAO-Ökonom Dawe, dass die Preisvolatilität in Zukunft zunehmen wird.
Ausschlaggebend seien Entwicklungen am Energiemarkt. Höhere Ölpreise treiben nicht nur die Kosten für den Transport oder die Verarbeitung nach oben, sondern setzen auch einen Anreiz zur Förderung von Biotreibstoffen. "Das könnte zur Folge haben, dass die Preise für Mais, Zucker oder Sojabohnen weiter steigen", so Dawe.