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Saudi-Arabien: Ein Konzert für Frauen und Männer

Von Donna Abu-Nasr / Associated Press / WZ Online

Politik

In Saudi-Arabien hat auf Einladung der deutschen Botschaft eine kleine kulturelle Revolution stattgefunden: Ein Klavier-Quartett spielte am Freitagabend vor einem Publikum, das aus Frauen und Männern bestand in einem öffentlich zugänglichen Kulturzentrum von Riad. Das bedeutet einen mehrfachen Tabubruch in dem streng islamischen Land, in dem Musik verboten ist und die Geschlechter sogar beim Anstellen vor den Kassen von Schnellrestaurants getrennt werden.


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Das Kammerkonzert ist ein weiteres Indiz dafür, dass die lange unantastbaren gesellschaftlichen Regeln in Saudi-Arabien liberalisiert werden könnten. Kürzlich hatte König Abdullah erst zum Dialog zwischen den Religionen aufgerufen - ein beispielloser Vorgang in dem Königreich, in dem nicht-islamische religiöse Handlungen und Symbole verboten sind.

"Das Konzert ist ein Zeichen, dass sich die Dinge hier schnell verändern", sagte der deutsche Botschafter Jürgen Krieghoff. Seine Mission hatte zu dem Konzert im Rahmen der ersten Deutschen Kulturwochen in Saudi-Arabien eingeladen. Offensichtlich habe die Regierung entschieden, dass "ein Minimum an Offenheit (...) notwendig für uns sind und auch gut für das gute Verständnis zwischen den Kulturen", fügte Krieghoff hinzu.

Öffentliche Konzerte in Saudi-Arabien sind nahezu unbekannt. Botschaften und Konsulate lassen regelmäßig Musikgruppen auftreten - auf ihrem Gelände, manchmal auch in den Wohnvierteln von Ausländern - aber die Veranstaltungen sind nicht öffentlich. In den vergangenen Monaten hat sich aber in aller Stille eine Zunahme kultureller Aktivitäten in dem Königreich ergeben. Lesungen und einige nach Geschlechtern getrennte Folk-Konzerte gab es zuletzt im Rahmenprogramm der Buchmesse in Riad. Und das jährliche Wirtschaftsforum in Jeddah begann heuer mit einer Überraschung: Einer Vorführung arabischer und westlicher Musik.

Der Auftritt des Artis Piano Quartets am Freitagabend sei die erste öffentliche klassische Musikaufführung in Saudi-Arabien gewesen, sagt der deutsche Diplomat Sebastian Bischoff. Geworben wurde dafür auf der Webseite der Botschaft, von der man sich kostenlose Einladungen für das Konzert herunterladen und ausdrucken konnte. Das saudi-arabische Kulturministerium habe dies genehmigt.

Die Aufregung war in dem 500 Zuschauer fassenden Saal deutlich spürbar. Das Publikum bestand überwiegend aus Ausländern. "Das ist ein ganz besonderes Konzert", sagte der moldawische Cellist des Quartetts, Marin Smesnoi. "Es ist ungewöhnlich für uns und die Öffentlichkeit." Die japanische Pianistin Hiroko Atsumi sagte, es habe vor dem Auftritt einige Diskussionen darüber gegeben, ob sie in einer Abaya - dem langen schwarzen Mantel, den alle Frauen in Saudi-Arabien in der Öffentlichkeit tragen müssen - aufzutreten habe. Am Ende habe man sich auf ein langes grünes Oberteil und schwarze Hosen geeinigt.

Unter den ersten Besuchern war Faiza al-Khayyal, eine pensionierte Lehrerin, und ihre 15-jährige Tochter. "Ich kam ihr zuliebe. Sie liebt klassische Musik", sagte die Mutter. "Es gibt kulturelle Aktivitäten in den Botschaften, aber wir werden dazu nicht eingeladen." Gegen die Geschlechter nicht trennende Sitzordnung habe sie keine Einwände. "Das ist für mich in Ordnung. Ich bin ja bei ihr." Faleh al-Ajami, ein Professor für arabische Sprache, brachte seine Frau und seine beiden Söhne mit. Für ihn war es eine seltene Gelegenheit, mit der gesamten Familie auszugehen.

Auch für die ausländischen Konzertbesucher war es eine Gelegenheit, einen normalen Abend in Riad zu verbringen - einer Stadt, in der es keine Kinos gibt, kulturelle Veranstaltungen selten sind und Frauen Straßencafes nicht betreten dürfen. "Ich bin dankbar für einen Abend wie diesen", sagte Mary Ann Jumawan, eine 40-jährige Angestellte der südkoreanischen Botschaft. "Es ist das erste Mal in neun Jahren hier als Ehepaar, das mein Mann und ich an einen Ort wie diesen gehen können."

Aber nicht alle im Saal waren erfreut. Abdullah al-Sabhan, sein Bruder und drei Freunde wurden von einem deutschen Geschäftspartner eingeladen, gingen aber nach einer halben Stunde. "Ich langweile mich", sagte der 26-jährige Ingenieur, der ägyptische Popmusik bevorzugt. Sein Bruder Saud sagte, es werde nicht dazu kommen, dass Männer und Frauen sich eines Tages alltäglich zu Veranstaltungen wie diesen treffen könnten. "Die saudi-arabische Gesellschaft wird das nicht akzeptieren. Die Mädchen sind das auch nicht gewöhnt", sagte er. Wenn er eine Schwester hätte, hätte er ihr gewiss nicht erlaubt, zu diesem Konzert zu gehen.