Riad - Für Osama Bin Laden waren die US-Truppen in Saudi-Arabien seit zwölf Jahren Intimfeinde. Die "Ungläubigen" würden islamischen Boden am heiligsten Orte besetzen, die Bewohner demütigen, den Reichtum plündern und die Basen als Ausgangspunkt für Angriffe auf andere islamische Länder nutzen, meinte der Terroristenchef. Seine Argumentation verfing, und tausende Moslems ließen sich für das el-Kaida-Netzwerk rekrutieren. Mit dem angekündigten Abzug der Truppen von der Prinz-Sultan-Luftbasis bis zum Jahresende haben die USA nun Bin Laden und seinen militanten islamischen Gefolgsleuten Wind aus den Segeln genommen.
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"Die Anwesenheit der US-Truppen hat den Terrorismus wie den von Bin Laden angeheizt", sagt Abdel Moti Bajumi von der Kairoer Al-Azhar-Universität, die für Millionen Moslems sunnitischer Glaubensrichtung - die Bevölkerungsmehrheit in Saudi-Arabien - höchste religiöse Autorität besitzt. "Der Abzug kommt zu spät, und die Anwesenheit der US-Truppen nach der Befreiung Kuwaits 1991 war ein großer Fehler. Es gab damals keinen Grund, in Saudi-Arabien oder Kuwait zu bleiben", sagt Bajumi.
Die Militärzusammenarbeit zwischen den USA und SaudiArabien geht auf das Jahr 1952 zurück, als erstmals saudi-arabische Offiziere ausgebildet wurden. Nach dem Überfall des Iraks auf Kuwait verlegten die USA 1991/92 rund eine halbe Million Soldaten nach Saudi-Arabien. Der damalige US-Verteidigungsminister und heutige Vizepräsident Dick Cheney versprach König Fahd von Saudi-Arabien und Kronprinz Abdullah, diese US-Kräfte nach dem Krieg wieder abzuziehen.
Es kam anders. Nach US-Regierungsangaben wurde das saudi-arabische Königshaus um eine Verlängerung der Stationierung wegen der anhaltenden irakischen Gefahr und der Überwachung der südlichen Flugverbotszone im Irak gebeten. Damit sollte die schiitische Bevölkerung vor Luftangriffen Saddams geschützt werden.
In Saudi-Arabien entwickelte sich die US-Präsenz von Anfang an zum Problemherd. Osama bin Laden, damals noch saudi-arabischer Staatsbürger, bot dem Königshaus an, statt der US-Streitkräfte lieber islamische Veteranen zu mobilisieren, die von 1979 bis 1989 in Afghanistan gegen die sowjetische Besatzung gekämpft hatten. Als die Antwort negativ ausfiel, begann Bin Laden den Terrorfeldzug.
Nachdem bei einem Anschlag 1996 in der saudi-arabischen Stadt Dahran 19 US-Soldaten getötet worden waren, zogen die meisten US-Einheiten auf die mehr abgelegene Prinz-Sultan-Luftwaffenbasis südöstlich von Riad um.
Nach den Terror-Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA - 15 der 19 Attentäter waren saudi-arabische Staatsbürger - rückte die US-Militärpräsenz erneut in den Mittelpunkt. Ein Abzug wurde mit dem Hinweis auf eine "Kapitulation vor Bin Laden" abgelehnt. Der Rückzug solle aus einer "Position der Stärke" erfolgen. Diese war offenbar nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein gegeben. Bis auf eine Ausbildungseinheit sollen die 5000 US-Soldaten in den Golfstaat Katar verlegt werden. Die arabische Tageszeitung "al Hayat" schreibt, "einige meinen, dass die USA nur ihr Ansehen bei den Arabern und Moslems verbessern wollen, damit diese die Mission im Irak akzeptieren." Bajumi von der Azhar-Universität meint, dass der Abzug den Druck auf das Königshaus verringere. Westliche Diplomaten glauben, dass es ohne Anwesenheit der Truppen für das Königshaus einfacher ist, mit einem Reformprozess zu beginnen.