Prinz Bandar bin Sultan ist Saudi-Arabiens neuer Geheimdienstchef. Er bringt viel Erfahrung aus seiner Zeit als Botschafter in Washington mit.
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Mit der Bestellung von Prinz Bandar bin Sultan zum neuen Geheimdienstchef hat Saudi-Arabien allem Anschein nach ein Kriegskabinett eingesetzt, in einer Zeit, in der die Spannungen mit dem Iran und die Meinungsverschiedenheiten mit der schiitischen Minderheit im Land zunehmen. Auch in anderen Bereichen erhöhten die Saudis die Alarmbereitschaft, um sich auf mögliche regionale Auseinandersetzungen vorzubereiten. Militär- und Sicherheitspersonal wurden mobilisiert, vom Urlaub zurückgerufen oder angehalten, geplante Urlaube zu streichen. Die Saudis rechnen möglicherweise damit, dass die Türkei an Syrien Vergeltung für den Abschuss eines Kampfflugzeugs Ende Juni üben könnte.
Die Ernennung des neuen Geheimdienstchefs erfolgte, als Saudi-Arabien die Unterstützung für die Aufständischen in Syrien verstärkte, um Bashar al-Assads Regime zu stürzen. Bei dieser verdeckten Aktion kooperierten die Saudis mit den USA, Frankreich, der Türkei, Jordanien und anderen Staaten.
Bandar folgt Prinz Muqrin bin Abdul Aziz nach, der als Geheimdienstchef im Westen kaum in Erscheinung getreten ist. Bandar, der extravagante saudische Ex-Botschafter in Washington, schien in den vergangenen Jahren nur eine Nebenrolle zu spielen. Jetzt könnte er ein guter Vermittler sein, etwa um für Saudi-Arabien Atomwaffen oder Missile-Technologie aus China zu besorgen, um sich gegen solche Bedrohungen aus dem Iran zu verteidigen. In einem geheimen Missile-Geschäft mit China fungierte er bereits 1987 als Mittelsmann. Auch in geheimen Missionen mit Syrien und dem Libanon ist er seit Jahrzehnten aktiv.
Durch seine lange Tätigkeit als Botschafter in Washington ist Bandar besonders geeignet, die geheimdienstlichen Beziehungen zu den USA zu handhaben. Während der Präsidentschaft Ronald Reagans hielt er enge Beziehungen zur CIA aufrecht und soll mitgeholfen haben, geheime Gelder für gemeinsame verdeckte Aktionen im Nahen Osten aufzutreiben. Während der Vorbereitungen zum Golfkrieg 1991 standen Bandar und Präsident George H.W. Bush einander so nahe, dass der Spitzname "Bandar Bush" aufkam, der sich auch während der Präsidentschaft von George W. Bush hielt.
Bandar spielte auch nach 2005, nach seiner Zeit in Washington, eine Rolle hinter den Kulissen. So soll er zum Beispiel die Konfrontationspolitik von Vizepräsident Dick Cheney gegen den Iran unterstützt haben - zur Bestürzung seines Nachfolgers in der US-Botschaft, Prinz Turki al-Faisal.
Den schiitischen Aufstand im ölreichen Al-Qatif unter Kontrolle zu bringen, den die Saudis dem Iran zuschreiben, ist bisher nicht gelungen. Die Lage scheint sich sogar zu verschlechtern. Die Demonstranten sind wohl darauf aus, die Saudis zu einem blutigen Durchgreifen zu provozieren, was viele Tote zur Folge hätte, noch größere Demonstrationen und einen internationalen Aufschrei. Saudische Reformer geben sich überzeugt, dass die beste Antwort auf die schiitischen Proteste das Zugeständnis von vollen wirtschaftlichen und politischen Bürgerrechten wäre.
Übersetzung: Redaktion
Originalfassung "A kingdom on the edge?"