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Interview mit Afrika-Experte Paul-Simon Handy. | "Frankreich half, die Rebellen zurückzuschlagen." | "Wiener Zeitung": Von wem werden die Rebellen im Tschad unterstützt? Es ist ja eine bemerkenswerte logistische Leistung, dass 3000 Soldaten innerhalb weniger Tage rund 800 Kilometer zurücklegen.
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Paul-Simon Handy: Für mich besteht kein Zweifel, dass der Sudan dahinter steckt - daran ändern auch alle offiziellen Dementis der Regierung in Khartum nichts. Aber das ist nichts Neues, schließlich haben alle drei Rebellengruppen im Tschad ihre Basis, ihre Trainingslager im Sudan.
Wie bewerten Sie die Sicherheitslage in N´Djamena?
Da gibt es vorerst noch widersprüchliche Berichte. Eines scheint aber gewiss zu sein: Die Armee von Präsident Deby konnte die Rebellen aus der Hauptstadt vertreiben. Ohne die Hilfe der vor Ort stationierten französischen Truppen wäre dies nicht möglich gewesen. Frankreich stellte die Luftkapazität bereit, so konnte die reguläre Armee die Truppen von der Luft aus bombardieren. Das ist für mich die einzige Erklärung für die plötzlich eingetretene Lageänderung - noch am Sonntag waren Debys Truppen völlig von der Bildfläche weg.
Ist die neue Lage besser oder schlechter?
Wenn Sie mich direkt fragen: Ich persönlich bedauere es, dass dieser Staatsstreich misslang. Natürlich bringt jeder Putsch viele Probleme mit sich, aber mit Deby steht der Tschad auf verlorenem Posten, mit ihm ist kein Neuanfang möglich. Ein erfolgreicher Machtwechsel hätte immerhin die theoretische Chance auf einen Neustart beinhaltet.
Frankreich hat einige Tage gebraucht, bis es wusste, wie es sich verhalten soll. Warum hat Paris schließlich für Deby Partei ergriffen?
Frankreich stützt Deby aus Mangel an besseren Alternativen. Die Rebellen stehen entweder dem Regime im Sudan zu nahe oder sind lediglich einstige Gefolgsleute Debys. In diesen Tagen ist deutlich geworden, dass auch Frankreich kein politisches Konzept für den Tschad besitzt, es trifft seine Entscheidungen auf tagtäglicher Basis. Eine weitere mögliche Erklärung für das Zögern in Paris könnte aber auch in dem Umstand bestehen, dass Präsident Sarkozy ein Konservativer und Außenminister Kouchner Sozialist ist. Hier könnte es durchaus zu Unstimmigkeiten gekommen sein.
Ist mit der Eskalation die Eufor-Mission gescheitert?
Vielleicht muss man sie kurzfristig verschieben, an ein Scheitern glaube ich aber nicht. Die Rebellen wollten offensichtlich vor dem Beginn der internationalen Mission vollendete Tatsachen schaffen, das ist aber nicht gelungen. Sicher ist: Die Lage ist eine völlig andere wie vor einem Monat - und niemand weiß, was die Zukunft bringt. Was ich aber nicht glaube, ist, dass die Rebellen die Eufor-Mission gefährden wollen. Mittelfristig sind sie, wenn sie sich nicht völlig isolieren wollen, auf internationale Partner angewiesen.
Wie beurteilen Sie die Sicherheit der europäischen Soldaten im Tschad?
Die Lage ist zweifellos prekär. Dass von den Rebellen oder der regulären Armee eine Gefahr für die Eufor-Soldaten ausgeht, glaube ich nicht. Für viel größer erachte ich aber das Risiko, dass andere Elemente, etwa Kriminelle, die prekäre Sicherheitslage für ihre eigenen Interessen nutzen wollen. Hierin sehe ich die größte Gefahr.
Werden französische Truppen offiziell in die Kämpfe eingreifen?
Nein, das kann sich Frankreich nicht leisten. Dadurch würde die Sicherheit der europäischen Partner gefährdet, die Neutralität der Eufor-Truppen wäre nicht mehr gegeben. Aber Frankreich kontrolliert den Flughafen - und indem die Franzosen der Armee erlaubten, mit ihren Hubschraubern zu starten, gelang erst die Vertreibung der Rebellen.
Wie wird sich die Lage in den nächsten Tagen entwickeln?
Ich habe gerade erst vor zwei Stunden ein SMS aus N´Djamena erhalten, die Situation scheint sich zu beruhigen. Um in Afrika einen Putsch erfolgreich durchzuführen, braucht man nicht nur die Kontrolle über die Hauptstadt, sondern auch über den Flughafen, den Präsidentenpalast und die Radio- und TV-Sender. Den Rebellen ist das diesmal nicht gelungen.
Dr. Paul-Simon Handy, Institut für Sicherheitsstudien in Pretoria, Südafrika.