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Schädel-Hirn-Trauma: Häufigste Todesursache bei unter 44-Jährigen

Von Christa Karas

Wissen

Vor einem Jahr, am 2. August 1999, unterlag unser Kollege Werner Klarum, 14 Jahre lang einer der wertvollsten Mitarbeiter der "Wiener Zeitung", seinem wochenlangen Kampf gegen den Tod. Werner Klarum starb an den Folgen eines Schädel-Hirn-Traumas, das er in Wien beim Sturz mit seinem Mountainbike erlitten hatte, kurz vor seinem 32. Geburtstag. Ein schockierender Tod, der viele, kaum zu beantwortende Fragen aufgeworfen hat. Vor allem eine drängte sich - obwohl im Nachhinein natürlich müßig - dabei auf: Hätte er überlebt, wenn er einen Fahrradhelm getragen hätte?


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In Österreich erleiden pro Jahr rund 40.000 Menschen Schädel-Hirn-Verletzungen bei Unfällen, vor allem im Straßenverkehr, beim Sport sowie bei der Arbeit. Dank den Fortschritten in der Medizin ist es zwar gelungen, die Sterberate von Jahr zu Jahr zu senken, so dass heute bereits fast 80 Prozent der Patienten überleben.

"Allerdings häufig um den Preis körperlicher und geistiger Einschränkungen", wie Univ.-Prof. Dr. Walter Oder im Vorjahr aus Anlass des 30-jährigen Bestehens des Wiener Rehabzentrums Meidling anmerkte. Zwar gebe es, so der Leiter des Rehabzentrums, "heute auch nach Wochen und Monaten im Koma durchaus eine Chance auf eine erfolgreiche Wiederherstellung", doch letztlich sei diese von der Schwere der Gehirnverletzung abhängig. Eine Evaluierung in Meidling ergab, dass bei bis zu 60 Prozent der Überlebenden eine Wiedereingliderung ins Erwerbsleben erreicht werden konnte - häufig allerdings in einer zurückgestuften Position.

Angehörige sind in der ersten Phase enormen Belastungen ausgesetzt und erst recht überfordert, wenn der langsame Prozess der Wiedereingliederung eingesetzt hat. Viele dieser Unfallopfer müssen nämlich mühsam wieder die einfachsten Körperfunktionen wie zum Beispiel das Schlucken und das Sprechen wieder erlernen, was ohne intensive Betreuung unmöglich ist.

Doch hier gibt es immer noch Mängel, auf die vor kurzem Ärzte des Wagner-Jauregg-Krankenhauses in Linz und Selbsthilfegruppen hingewiesen haben: Nicht überall sind Einrichtungen zur Nachbetreuung vorhanden. Geforder werden mehr neuropsychologisch geführte Tageseinrichtungen mit entsprechend geschultem Personal sowie Möglichkeiten für eine Kurzzeitunterbringung der Patienten und eine psychotherapeutische Begleitung für die belasteten Angehörigen.

"Wie wenn jeden 3. Tag ein Jumbo-Jet abstürzt"

Wie kommt es nun, dass trotz der medizinischen Erfolge das Schädel-Hirn-Trauma immer noch die häufigste Todesursache bei den unter 44-Jährigen ist? - Bei einer Tagung im Lorenz Böhler-Unfallkrankenhaus in Wien kamen Experten kürzlich zum Schluss, dass die Rate der Todesfälle sowie der lebenslang schwer Behinderten halbiert werden könnte, soferne die Verletzten am Unfallsort und während des Transports in ein Spital mit genügend Erfahrung optimal versorgt würden.

"Bei uns in den USA sprechen wir von einer schleichenden Epidemie solcher Schädel-Hirn-Traumen. Daran sterben so viele Menschen als würde jeden dritten Tag ein Jumbo Jet mit 500 Passagieren abstürzen", so Dr. Peter Quinn, Geschäftsführer der Brain Trauma Foundation, einer Vereinigung von Spezialisten, die sich mit der Versorgung von solchen Schwerstverletzten beschäftigen, also vor allem Intensivmedizinern und Neurochirurgen.

Optimale Behandlung nur für Hälfte der Unfallopfer

Die Stiftung hat deshalb in vielen Staaten Programme laufen, um Ärzte und Rettungspersonal so auszubilden, dass sie eine optimale Versorgung nach realtiv einfachen Richtlinien (vor allem im Hinblick auf den Hirndruck) betreiben. So konnte in Osteuropa rund um Krankenhäuser, die sich an die internationalen Behandlungsrichtlinien für Schädel-Hirn-Trauma-Patienten halten, die Sterberate von 38 auf 19 und der Anteil der später schwer Behinderten von 40 auf 20 Prozent verringert werden.

Univ.-Prof. Dr. Walter Mauritz vom Lorenz Böhler-Krankenhaus schätzt jedenfalls, dass in Österreich rund die Hälfte dieser Unfallopfer nicht optimal behandelt werden. Was nicht unbedingt an der Gescwindigkeit bei der Erstversorgung liegt. Quinn: "Die rasende Fahrt mit Blaulicht und Sirene bringt gar nichts. Wichtig ist, dass der Verletzte in ein Spital gebracht wird, das sich mit der optimalen Therapie solcher Verletzten auskennt. Der Zeitfaktor ist nicht derart wichtig."

Unfälle mit dem Fahrrad: Kopf zu 37 Prozent betroffen

Bei Verletzungen durch Radfahrunfälle nehmen jene, die den Kopf betreffen, mit 37 Prozent den Spitzenplatz ein und sind dem entsprechend auch hier die häufigste Todesursache. Fachleute haben errechnet, dass Radfahrer ohne Helm 14mal höher verletzungsgefährdet sind als Helmträger.

Univ.-Prof. Dr. Michael E. Höllwarth anlässlich der Aktion "Große schützen Kleine": "75 Prozent der tödlichen Fahrradunfälle könnten durch einen Helm vermieden werden. Das Risiko einer Kopf- oder Gesichtsverletzung reduziert sich um 85, das einer Gehirnverletzung um 88 Prozent."

"Allerdings nicht, wenn man den Helm wie einen Hut trägt", so Peter Stern von der Radfahrervereinigung ARGUS über die oft beobachtete "Sünde" lockerer Kinnriemen der Biker. Stern, der selbst zwei schwere Unfälle nur dank des Helms überlebt hat, empfiehlt weiters, hier nicht zu sparen und im Fachhandel einen Helm "eher aufwärts von 2.000 Schilling" zu erwerben. Solche Helme entsprächen in der Regel den schärferen schwedischen oder US-Sicherheitsrichtlinien. Zu beachten seien weiters ein geringes Gewicht des Helms, so dass er den Kopf nicht belastet, und zahlreiche Lüftungsschlitze, um im Sommer Hitzestaus zu vermeiden.