Die Wirtschaftsprüfer von Deloitte erheben den Status für das burgenländische Skandalinstitut. Die Bankenaufsicht hat 2015 und 2017 trotz eines anonymen Hinweises auf Ungereimtheiten bei ihren Prüfungen nichts Auffälliges gefunden.
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Weit mehr als zehn Jahre soll die Mattersburger Commerzialbank ihre Bilanzen frisiert haben. Doch aufgeflogen ist der Schwindel erst jetzt - im Rahmen einer weiteren turnusmäßigen Prüfung durch die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) im Auftrag der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA). Davor hatten die Bankenaufseher der OeNB das kleine burgenländische Kreditinstitut in den vergangenen fünf Jahren zwei Mal unter die Lupe genommen. Auf Unregelmäßigkeiten in der Bilanz waren sie dabei jedoch nie gestoßen.
2015 rückten die Aufseher der Notenbank nach Mattersburg aus, nachdem die FMA nach Informationen der "Wiener Zeitung" von einem Whistleblower den Hinweis bekommen hatte, man solle sich die Commerzialbank einmal genauer anschauen. Die Prüfung brachte aber nichts Strafrechtliches zutage, auch die Bilanzen schienen in Ordnung zu sein. So war das dem Vernehmen nach auch bei einer nachfolgenden Prüfung im Jahr 2017. Da fanden die OeNB-Aufseher ebenfalls nichts, was Anlass zur Beunruhigung gegeben hätte - keine Malversationen, keine Bilanzfälschung.
Zu Jahresbeginn gab es wieder einen Whistleblower-Hinweis
Im heurigen Frühjahr erhielt die FMA über ihre Whistleblower-Hotline erneut einen anonymen Hinweis auf Ungereimtheiten in der Bank. Dabei sei es um Kredite gegangen, wie aus der Wiener Finanzszene zu hören ist. Die OeNB startete ihre Prüfung im März, ehe der Corona-Shutdown den Prozess unterbrach. Im Juli nahm sie die Prüfung dann wieder auf und da flog dann auf, dass die Commerzialbank jahrelang an einem großen Rad gedreht hat.
Mit der Ermittlung des Status für die Bank sind nun die Wirtschaftsprüfer von Deloitte beauftragt. Sie haben zu erheben, welche Positionen in den Bilanzen werthaltig sind und welche nicht. Wie es am Montag aus der Nationalbank hieß, soll Ende Juli Klarheit darüber herrschen, was an Geldern bei der Bank tatsächlich fehlt und wie groß der Schaden ist.
Indes ortet der selbst ernannte Finanzombudsmann Gerald Zmuegg - Geschäftsführer der in Wien ansässigen Zmuegg Vermögensverwaltung - nicht nur bei TPA, dem langjährigen Bilanzprüfer der Mattersburger Bank, Fehler, sondern auch bei der Aufsicht. Gemeinsam mit der Anwaltskanzlei Christandl & Partner will er deshalb für Geschädigte Geld von der Republik Österreich holen. Klagen will Zmuegg nur notfalls, zuerst will er eine außergerichtliche Einigung versuchen.
Wie er der Austria Presse Agentur sagte, hätten TPA und FMA über bestimmte Auffälligkeiten stolpern müssen. Dies würden die Analysen etwa von Bilanzsumme, Kreditvolumen und Einlagen bei anderen Banken zeigen. Die Bilanzsumme der Commerzialbank sei - angeblich - von 2013 bis 2018 um 37,25 Prozent gestiegen, die Einlagen bei Banken zugleich um 51,08 Prozent, die Kredite an Kunden aber nur um 9,20 Prozent, so Zmuegg. Darüber hinaus sei die Verzinsung für die Einlagen im Durchschnitt bei 0,85 Prozent gelegen - um mehr als die Hälfte höher als vergleichsweise bei der Raiffeisenlandesbank Burgenland und der Bank Burgenland. Und außerdem hätten andere Institute der Commerzialbank keine Kredite mehr gegeben.
Wirtschaftsprüfer-Präsident verteidigt seine Zunft
Der Wiener Anlegerschützer Wilhelm Rasinger glaubt allerdings nicht, dass bei der Republik Österreich ein Schadenersatz zu holen sein wird. Er habe Verständnis für Anwälte, wenn diese die Situation nutzen und auf sich aufmerksam machen. Es gebe aber keine Notwendigkeit, sofort zu agieren und zu handeln. Jetzt schon der FMA ein Prüfversagen zuzusprechen, werde keine leichte Aufgabe sein. Und er halte auch nichts davon, sich immer gleich an den Steuerzahler zu halten, wenn womöglich Prüfer versagt hätten, so Rasinger, Chef des Interessenverbandes für Anleger (IVA). "Viel interessanter" könnte es aus seiner Sicht sein, sich mit der Haftpflicht der Prüfer, in dem Fall TPA, auseinanderzusetzen. Der Prüfgesellschaft, die eigentlich primär als kompetente Steuerberatungskanzlei bekannt sei, warf er in einer Aussendung vor, sie agiere "erstaunlich unprofessionell, indem sie jede Verantwortung zurückweist und versucht, in eine Opferrolle zu schlüpfen". TPA sieht sich, wie berichtet, selbst als "Opfer einer umfangreichen und komplexen Täuschung".
Vor diesem Hintergrund meldete sich zu Wochenbeginn auch der Präsident der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, Herbert Houf, zu Wort. Houf verteidigte seine Branche. Er glaube nicht, dass es richtig sei, einseitig die Abschlussprüfer, die die wenigsten Möglichkeiten hätten, sich Informationen zu beschaffen, "als Alleinverantwortliche in dieser Sache an den Pranger zu stellen", sagte Houf im ORF-Radio. Man müsse sich ansehen, wo möglicherweise an anderen Stellen die notwendigen Aufgaben nicht erfüllt worden seien. Das Konzept basiere ja darauf, dass die Kontrollinstanzen auch untereinander gut kommunizieren, so Houf. "Und wenn da eben gewisse Defizite auftreten, dann kann das im Ergebnis dann leider zu solchen Situationen führen, wie wir sie jetzt haben."
Einige Fantasiekredite mit bis zu 20 Prozent Effektivverzinsung
Bei der Commerzialbank waren offenbar sowohl Einlagen als auch Kredite fingiert (die "Wiener Zeitung" berichtete). Die Bilanzsumme war für 2018 auf 794 Millionen Euro aufgeblasen. Dabei sollen "erfundene" Einlagen bei anderen Banken das zentrale Hilfsmittel dargestellt haben. Mit Einlagen schafft man sich Einnahmen und damit auch Spielraum für Kredite, die selbst wiederum fingiert sein können, wie ein Finanzexperte, der anonym bleiben will, erklärt. "Einlagen sind da ein Hebel."
Im Fall der Commerzialbank sollen auch Kredite fingiert worden sein, um - wie die Tageszeitung "Der Standard" berichtet - Zinseinnahmen zu suggerieren. Bei bestehenden Krediten, so das Blatt, seien die Zinsen auf bis zu 20 Prozent hochgeschraubt worden. Es gebe den Verdacht, dass Kredite an Kunden ungerechtfertigterweise (ohne Bonität) vergeben worden seien, die das Geld als Sponsoring dem Fußballclub SV Mattersburg weitergeleitet hätten. "Die Kunden gab und gibt es zwar tatsächlich, die Kredite in Millionenhöhe aber nicht", hat dazu am Wochenende schon das Nachrichtenmagazin "profil" geschrieben: "Einige dieser Phantomkredite waren obendrein mit bis zu 20 Prozent Effektivverzinsung versehen, wodurch das Zinsergebnis mehrerer Jahre geschönt worden sein dürfte."
Burgenland hilft Firmen mit Haftungsrahmen
Unterdessen hat das Land Burgenland angekündigt, die vom Skandal betroffenen Unternehmen mit einem Haftungsrahmen von insgesamt fünf Millionen Euro zu unterstützen. Damit soll sichergestellt werden, dass die Firmen den Betrieb weiterführen und Löhne ausbezahlen können, so Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ). "Jedes Unternehmen bekommt einen Erstkreditrahmen von 100.000 Euro, 80 Prozent der Haftungen übernimmt das Land."