Der gestrige große Streiktag in Österreich wird nach Ansicht von Wifo-Chef Helmut Kramer einen volkswirtschaftlichen Schaden von "wenigen -zig Millionen Euro", vielleicht 20 oder 30 Mill. Euro, aber "sicher unter 50 Mill. Euro" verursachen. "Geordnet", "ohne Zwischenfälle" verliefen indes Betriebsversammlungen und Arbeitsniederlegungen in den mehreren hundert Privatbetrieben, die dem Streikaufruf gefolgt waren.
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Viel bedenklicher als die relativ geringen unmittelbaren finanziellen Folgen sei "der Stil, in dem in Österreich wirtschaftspolitisch, sozialpolitisch diskutiert wird", sagte Wifo-Chef Kramer am Dienstag im Ö1-"Morgenjournal". IHS-Chef Bernhard Felderer sieht in dem erneuten Streik vor allem negative Signale an künftige Investoren. Selbst wenn der eine Tag nicht viel kosten sollte, entstehe der Wirtschaft damit erheblicher Schaden.
Der Leiter des Österreichischen Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) hält dagegen die Außenwirkung für Investoren nicht für besonders gefährlich oder bedenklich und erinnert an ähnliche aktuelle wirtschaftspolitische Dispute in mehreren europäischen Ländern, etwa in Frankreich. Deshalb müsse man nicht annehmen, dass Österreich jetzt relativ gesehen zurückfalle: "Wenn sich das Geschehen nicht wiederholt, wird es ohne nachhaltigen Schaden sein."
In den meisten bestreikten Firmen außerhalb des öffentlichen Dienstes wurde auf betriebliche Erfordernisse Rücksicht genommen: Bei der voestalpine in Linz etwa wurde der Hochofen zwar heruntergefahren, aber zu "Reparatur- und Wartungszwecken". Es gehe um "Schadensbegrenzung" vor allem für die Kunden, er habe den Eindruck, dass dies "bei aller Problematik" auch das Bestreben der Belegschaftsvertreter sei, meinte Firmensprecher Josef Nitterl. Zu den finanziellen Auswirkungen des Streiks für die voestalpine könne man derzeit noch nichts sagen. Bei der letzten Arbeitsniederlegung am 6. Mai beliefen sich diese Auswirkungen auf rund eine Mill. Euro.
Bei Böhler-Uddeholm wurde der "Warmbereich" mit Hochofen und Walzstraßen weiter betrieben "um Schaden vom Unternehmen abzuwenden", wie es seitens des Betriebsrats hieß. Bei der OMV, wo die Befüllung der Tanklastwagen unterbrochen war, hieß es, bei den Tankstellen werde es deshalb zu keiner Benzinknappheit kommen.
Beim Siemens-Werk auf der Wiener Erdberger Lände waren die Werkstore zwar mit Streikplakaten umrahmt, Zuliefer-LKW von Speditionen wurden aber etwa am späten Vormittag nicht an der Zufahrt gehindert.
Die Poststücke, die streikbedingt am Dienstag in den Post-Verteilerzentren liegen blieben - die meisten Postämter waren in Betrieb, die Zusteller etwa in Wien-Leopoldstadt waren unterwegs - sollen in den nächsten zwei Tagen, aber spätestens bis Freitag vollständig ausgeliefert sein, erklärte Post-Sprecher Michael Homola auf Anfrage der APA. Spätestens nächste Woche Dienstag - Pfingstmontag ist ein Feiertag - soll dann nach Sonderschichten wieder der normale Postbetrieb laufen.
Bei Swarovski in Tirol löste man den Konflikt "Solidarität" versus "Schaden für die Firma" so: "Wir streiken nicht, aber wir haben in der Früh am Werkstor alle Mitarbeiter über den Protest gegen diese Pensionsreform informiert."
Auch in den großen Brauereien waren die Sudhäuser in Betrieb, lediglich Abfüllung und Fuhrpark standen für mehrere Stunden still. Ottakringer-Generaldirektor und Miteigentümer Siegfried Menz wurde darauf selber initiativ und lieferte eigenhändig Bier aus. Zusammen mit einem "Kumpel" fuhr Menz per Lkw prominente Wiener Gastronomiekunden wie das Hotel Sacher an.