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Die Frage, die bei den kroatischen Präsidentenwahlen am Sonntag entschieden wird, ist denkbar einfach: Soll der amtierende Staatschef Stipe Mesic schon in der ersten oder doch erst in der zweiten Runde wiedergewählt werden? Bei 49 Prozent der Stimmen sehen ihn Meinungsumfragen, die aussichtsreichste Gegenkandidatin, Jadranka Kosor, liegt bei 14 Prozent. Die übrigen elf Kandidaten sind zu Statistenrollen verurteilt. Manche von ihnen verlieren die gute Laune dennoch nicht: "Mesic soll nicht vergessen: Bei der letzten Wahl war er exakt in der Außenseiterposition, in der ich jetzt bin", sagt etwa Boris Miksic, der Millionär, der mit seinem Riesenvermögen die Präsidentschaft erobern möchte.
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Tatsächlich ist Mesic im Jahr 2000 überraschend Präsident geworden - als lachender Dritter in einem Kampf zwischen dem Tudjman-Lager und den Linksliberalen. Heute wird Mesic allerdings von einer breiten Neun-Parteien-Front unterstützt. Sie reicht von links über liberal bis gemäßigt national. Für Mesic, den die Kroaten vor allem wegen seiner hemdsärmlig-unkomplizierten Art schätzen, wäre daher alles andere als ein Sieg in der ersten Runde enttäuschend. "Natürlich ist das in erster Linie ein Referendum über seine Person", sagt Ivan Siber, Politikwissenschafter an der Universität Zagreb.
In entscheidenden politischen Fragen unterscheiden sich Mesic und die stellvertretende Premierministerin Jadranka Kosor kaum voneinander. Beide sind für eine Nato-Integration Kroatiens und natürlich auch für einen EU-Beitritt. Angesichts der Umfrageergebnisse kann Mesic, der am Heiligen Abend 70 wurde, allerdings selbstbewusst sagen: "Ich werde der Präsident sein, der Kroatien in die EU führt."
Die 51jährige Jadranka Kosor hingegen ist für ihre Partei HDZ eine Verlegenheitslösung. Parteichef Ivo Sanader, der das Amt des Premiers bekleidet und die HDZ im letzten Jahr zumindest teilweise vom nationalistischen Tudjman-Mief befreite, ist wohl der einzige Politiker Kroatiens, der Mesic ernsthaft gefährden könnte. Dass er sich dennoch nicht für ein Duell entschied, hat zwei Gründe: die Angst vor der Niederlage, mehr noch aber die Tatsache, dass nach der Verfassungsreform von 2000 der Premier mehr Befugnisse hat als der Präsident. Auf einen eigenen Kandidaten verzichten wollte der HDZ-Chef trotzdem nicht, und so hob er die sozial engagierte, aber als spröde geltende Kosor aufs Schild.
Der überschäumenden Rhetorik des amtierenden Präsidenenten vermochte sie im Wahlkampf wenig entgegenzusetzen. Als Mutter Theresa und Suzana würde man sie bezeichnen vertraute Kosor vor einiger Zeit der Öffentlichkeit an. Als Mesic sie zu Weihnachten mit eben diesen Worten benannte, wobei er den Namen Suzana so vorzutragen wusste, dass sich für alle Kroaten sofort die Assoziation zu "suza", der Träne, und somit unvermeidlich zu "Heulsuse" einstellte, reagierte die HDZ-Kandidatin genervt, aber hilflos: Sie machte das geplante Fernsehduell mit Mesic von einer Entschuldigung abhängig: "Ich will nicht im Studio mit jemand sitzen, der mich ständig als Frau beleidigt."
TV-Duell geplatzt
Der Präsident entschuldigte sich wie erwartet nicht: "Warum soll ich mich entschuldigen? Bislang war sie auf diese Spitznamen ja sogar stolz." Damit hatte Kosor einen Grund, um das TV-Duell platzen zu lassen. Nur bei einer gemeinsamen Diskussionsrunde aller dreizehn Kandidaten traf sie im staatlichen Fernsehen auf Mesic.
"Sie war wohl froh darüber", mutmaßt ein Mann aus der nächsten Umgebung des Präsidenten. Tatsächlich gilt Stipe Mesic als ein Meister der spontanen und scharfzüngigen Replik. In einer Direktkonfrontation mit Kosor hätte er wohl noch so manches weitere böse Bonmot auf Lager. Auch die massive Werbekampagne der HDZ-Kandidatin kommentierte der Präsident gewohnt sarkastisch: "Im Fernsehen ständig diese Person, im Radio genauso. Daheim fürchte ich mich ja schon davor, eine Konservendose aufzumachen - womöglich hüpft sie da auch noch heraus."
Doch nicht nur Mesic´ bärbeißig-ironische Art machte es seiner Gegnerin schwer, gegen ihn zu punkten. Inhaltlich boten sich, nicht zuletzt wegen relativer Übereinstimmung, auch nicht viele Angriffspunkte an. Überdies konnte Kosor auch nur sehr zurückhaltend auf die nationale Karte setzen - die HDZ-Partei möchte ihr Tudjman Erbe ja eigentlich gern vergessen machen.
In Dubrovnik bezeichnete Kosor Tudjman dennoch als einen Mann "ohne dessen Weisheit es Kroatien nicht geben würde". Dann wies sie ganz in alter Manier die Forderung zurück, auch Kroaten müssten sich für ihre Kriegsverbrechen entschuldigen. Stipe Mesic hat hingegen schon vor Jahren bei einem Interview in Wien gesagt, er sei zu einer solchen Entschuldigung bereit. Mesic wird daher auch eher zugetraut, dass er die Suche nach dem vom Den Haager Tribunal gesuchten General Ante Gotovina voranreibt. Die HDZ begnügt sich in dieser Causa vorerst mit unwissendem Schulterzucken. "Wir würden das Problem Gotovina wirklich gern lösen", richtete HDZ-Chef und Premier Ivo Sanader dem Tribunal aus. "Aber er ist nicht in Kroatien".
Mangels anderer Themen hat Kosor in ihrem Wahlkampf auch das Pipeline-Projekt DrzbAdria aufs Tapet gebracht. Über die Pipeline soll russisches Erdöl bis in den kroatischen Hafen Omisalj gepumpt werden und von dort teils verschifft, teils nach Westeuropa weitergeleitet werden. Kosor erteilte dem Megavorhaben eine strikte Absage - aus nachvollziehbaren ökologischen Gründen. Blöd war nur, dass sie sich 1999, als die HDZ an der Macht war, für eben dieses Projekt stark machte. "Es gibt Politiker", kommentierte daraufhin Mesic, "die sagen etwas anderes, wenn sie an der Macht sind und etwas anderes wenn sie wahlkämpfen. Frau Kosor hat jetzt Erdöl als ihr Spielzeug entdeckt, vielleicht findet sie auch noch ein Feuerzeug." n