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Schafft Rama die absolute Mehrheit?

Von WZ-Korrespondent Ferry Batzoglou

Politik

Die sozialistische PS könnte in Albanien laut Exit Polls ein Stimmanteil von bis zu 50 Prozent erreichen.


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Tirana. Der Sieger der heutigen Parlamentswahlen in Albanien heisst Edi Rama. Die sozialistische PS unter dem seit 2013 regierenden Rama kam ersten Exit Polls am Sonntagabend zufolge auf 46 bis 50 Prozent der Stimmen.<p>Der PS-Erzrivale, die konservativ-liberale PD unter dem Rama-Herausforderer Lulzim Basha, vereinte demnach 31 bis 35 Prozent der Stimmen auf sich. Die sozialdemokratische LSI habe den Exit Polls zufolge elf bis 15 Prozent der Stimmen erhalten. Alle andere Parteien kamen nicht über drei Prozent der Stimmen.

Niedrige Wahlbeteiligung

Die Wahlbeteiligung lag ersten informationen zufolge bei lediglich rund 43 Prozent. Dies ist niedrigste Wahlbeteiligung seit Einführung der Parlamentarischen Demokratie in Albanien Anfang der 90er Jahre.

Das geringe Interesse der Albaner an diesem Urnengang hatte sich schon früh an diesem Wahlsonntag abgezeichnet. Es war brütend heiss in Albanien. Und Shqipron, Sonnenbrille, sportlich, weisses T-Shirt, breites Grinsen, hatte sich schon längst entschieden. Er ging heute nicht wählen. Was nur bedingt am Wetter lag.

Der 23-Jährige Albaner verkaufte lieber am Strand von Durres Donuts. Für 100 Albanische Lek die Portion, etwa 80 Cent. ''Was bringt es schon, wenn ich wählen gehe? Es regieren doch immer die Gleichen. Für mich ändert sich sowieso nichts", sagt er und serviert seiner Kundschaft die kulinarische Köstlichkeit.

Immerhin: Shqipron hatte an diesem Sonntag schon früh viel zu tun. Die Donuts gingen weg wie warme Semmeln. Albanien, lange ein weisser Fleck auf der touristischen Landkarte, wird ohnehin bei Urlaubern aus dem Rest Europas und anderswo immer beliebter. Das Rezept ist simpel: Billig ist es hier, aber in dieser Jahreszeit auch garantiert warm und sonnig.

Armenhaus Europas

Albanien, das Armenhaus Europas, Durchschnittslohn 430 Euro pro Monat, hat knapp drei Millionen Einwohner, ist seit April 2009 NATO-Mitglied und seit 2014 offizieller EU-Beitrittskandidat.

Am 23. Juni 2013 fanden die letzten Parlamentswahlen in Albanien zum 140 Sitze umfassenden Kuvendi i Shqiperise, dem albanischen Parlament, statt. Es waren die siebten Wahlen seit dem Ende des Kommunismus 1990/91. Edi Rama und seine sozialistische PS gingen als klarer Sieger aus der Wahl hervor. Rama und Co. holten 41,4 Prozent der Stimmen und 65 Mandate.

Der PS-Erzrivale, die konservativ-liberale PD unter Sali Berisha, musste hingegen herbe Verluste hinnehmen. Sie kam auf nur noch knapp 32 Prozent der Stimmen und 50 Sitze.

Die sozialdemokratische LSI kam auf gut zehn Prozent und 16 Sitze. 3,3 Millionen Albaner, darunter auch die Diaspora-Albaner, waren damals wahlberechtigt, Die Wahlbeteiligung lag bei 53,5 Prozent, gut zehn Prozentpunkte höher als am heutigen Sonntag.

Kommt eine große Koalition?

Edi Rama, 52, Ex-Basketballer und international anerkannter Maler, bildete damals mit der LSI, dem traditionellen Königsmacher in Albanien, eine Koalition. Die nunmehr achten Parlamentswahlen in der postkommunistischen Ära in Albanien galten indessen schon im Vorfeld als wegweisend.

Denn erstmals könnte die Bildung einer Grossen Koalition aus PS und PD in Tirana bevorstehen. Und dies, obschon Rama und seine PS allen Exit Polls zufolge nicht nur klar die Nase vor der PD unter seinem Herausforderer Lulzim Basha hat, sondern diesmal sogar die absolute Mehrheit der Mandate holen könnte. Rama greift nach den Sternen.

Die Bildung einer Grossen Koalition in Albanien würde aber nicht zuletzt die EU begrüssen. So könnte sich das Land wirklich tief und nachhaltig modernisieren, so die Lesart in Brüssel. Oberste Priorität haben eine Justizreform, aber auch Reformen in dem Bildungssystem und der öffentlichen Verwaltung und der Kampf gegen die grassierende Korruption. So soll Albanien endlich Fortschritte in Sachen EU-Beitritt machen.

"Edi Rama ist der Beste"

Egal, was nach der Wahl passiert: Für Egi Toto, 18, ist klar, wer das Zepter der Regierung in Tirana auch in Zukunft halten soll. ''Edi Rama. Er ist der beste.'' Egi Toto ist bereits seit drei Jahren Mitglied in der PS-Jugendorganisation in ihrer Heimatstadt Berat in Südalbanien, einer PS-Hochburg.

Heuer durfte sie zum ersten Mal wählen gehen.''Für uns junge Albaner ist Edi Rama die einzige
Hoffnung. In den letzten vier Jahren hat sich schon eine Menge für uns verbessert. Das muss jetzt weitergehen'', sagt sie mit fester Stimme.

Tixhi Bushi, 36, Betreiberin einer Smoothie-Bar in Tirana, sah das am heutigen Wahlsonntag ein bisschen anders. ''Ich werde mich erst in der allerletzten Minute entscheiden, wen ich wähle werde'', sagte sie. Von der Regierung Rama sei sie bitter enttäuscht. Denn sie habe die Steuern für Kleinbetriebe wie ihren massiv erhöht. Nun kämpfe sie ums wirtschaftliche Überleben. Ihre Smoothies schmecken jedenfalls klasse.

Die Pensionistinnen Meleqe, Nazime und Drita sassen an diesem Wahlsonntag derweil dicht aneinander auf einer Bank in einem Park in Tirana. Ein Baum spendet Schatten. So lässt sich die Hitze ertragen. Die älteren Damen haben alle schon gewählt.''Wir haben alle Basha unsere Stimme gegeben.'' Der Grund dafür sei, dass sie nach 1990 stets für die Konservativen gestimmt hätten, erklären sie. Sali Berisha, den PD-Übervater, der schon längst in den politischen Ruhestand gegangen ist, verehren sie noch immer.

Selim Loni,75, hat hingegen für die LSI votiert. Und auch er sagt ganz offen, weshalb er das getan habe.''Meine arbeitslose Tochter hat einen Staatsjob gefunden. Dank der LSI. Sie hatte uns das versprochen, wenn wir sie wählen.''

Mehr oder minder erkennbare Fortschritte hin, lang ersehnte EU-Perspektive her: Das alte Übel des Klientelsystems in Albanien ist offenbar nicht kleinzukriegen.