Vor zehn Jahren war Labioplastik noch eine Nische, inzwischen ist sie ein lukratives Geschäft. Die plastische Chirurgin Andrea Rejzek spricht über die häufigsten Motive und deutet an, dass junge Frauen mit dem Eingriff noch warten sollten.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Das Geschäft mit der Labioplastik boomt. Lediglich Fettabsaugungen und Brust-OPs sind derzeit noch gefragter als die Kürzung der Schamlippen. Der Bereich wächst schneller als jede andere Nische der Schönheitschirurgie, berichtet die "International Society of Aesthetic Plastic Surgery" (siehe Wissen). Wie ist das in Österreich? Was bewegt Frauen zu diesem Schritt, und wie gefährlich ist der Eingriff? Die "Wiener Zeitung" traf die plastische Chirurgin Andrea Rejzek zum Gespräch.
"Wiener Zeitung": Kein Bereich der Schönheitschirurgie wächst so rasant wie Kürzungen der Schamlippen (Labien). Wie erklären Sie sich diesen Trend?
"Andrea Rejzek": Ich kann es mir nicht erklären. Als Labioplastik vor 20 Jahren in den USA aufkam, war es ein Tabuthema, die Nachfrage war nicht groß. Kurz bevor ich vor zwölf Jahren meine Privatordination eröffnet habe, fragte mich ein Kollege, ob ich auch Labienkorrekturen anbieten werde. Damals dachte ich: "Wovon redet der?" Dann hat mich eine Kollegin, die mit dem Eingriff eines Dermatologen unzufrieden war, um eine solche Korrektur gebeten. Ich habe sie operiert, und sie war mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Damit hat es begonnen.
Wie oft operieren Sie heute Frauen an den Labien?
Heute führe ich die Operation ein- bis zweimal pro Woche durch. Also ja, es wird mehr. Ich weiß nicht, warum. Als ich anfing, hat das kaum ein plastischer Chirurg angeboten, heute machen es alle. Es ist inzwischen die häufigste OP, die ich in der Ordination durchführe, sogar häufiger als Brust-OPs.
Was bewegt Frauen zu diesem Schritt?
Manche stören abstehenden Ohren, manche empfinden ihre Labien als zu groß. Heute findet man im Internet viele Infos, dass man das richten lassen kann. Was beiträgt, ist der Trend zur Intimrasur, weil man dadurch die Vulva besser sehen kann, in der Sauna und in der Dusche ist sie präsentergeworden. Haare sind auch ein Polster und haben eine Schutzfunktion, mit ihnen spürt man längere innere Labien sicher nicht, wenn aber alles abrasiert ist, werden sie in engen Jeans oder Strings leichter irritiert.
Sind es vor allem ästhetische Beweggründe, oder haben manche Frauen auch Beschwerden?
Die meisten Probleme sind ästhetisch und haben einen psychischen Beigeschmack. Eine 24-Jährige sagte mir, sie sei noch Jungfrau, weil sie sich so sehr für ihre Schamlippen schäme. Viele Frauen sind gehemmt und finden sich nicht schön. Manchmal wurde das von Freundinnen oder Schwestern mit unbedachten Äußerungen ausgelöst. Manche Frauen haben Beziehungsprobleme, weil sie sich so genieren.
Für wen legen sich die Frauen unters Messer: für sich selbst, oder für Männer?
Ich habe noch nie erlebt, dass ein Mann auf eine Verkleinerung der Labien drängt. Der Wunsch ging immer von den Frauen aus, den Männern war es meist unangenehm. Oft höre ich: "Mich stört das gar nicht, aber sie will das unbedingt." Bei OPs im Gesicht, Brustvergrößerung oder Fettabsaugung ist das anders, das wünscht sich mitunter der Mann. Aber ja, es wird schon auch damit zu tun haben, dass man dem Partner gefallen will.
Von welchen Beschwerden berichten Frauen, die zu Ihnen kommen?
Manche haben Probleme beim Radfahren oder beim Geschlechtsverkehr. Andere sagen, sie haben gehäuft Infektionen, aber ich glaube nicht, dass das an den Labien liegt. Auch Frauen, die keine großen inneren Labien haben, haben manchmal Infekte. Dieser Zusammenhang ist nicht belegt.
Welche Bandbreite von Maßen gibt es bei inneren Labien?
Es gibt eine Studie von dem englischen Gynäkologen Robert L. Dickinson, der fast 3000 Frauen vermessen hat. Bei einigen waren die inneren Labien bis zu sechs Zentimeter lang, fast 90 Prozent waren aber unter zwei Zentimetern. Das kann ich von meinen Patientinnen nicht bestätigen: Bei den meisten Frauen, die zu mir kommen, stehen die inneren Schamlippen drei oder vier Zentimeter hervor.
Wer ist Ihre typische Klientin?
Die meisten von ihnen sind attraktive Frauen zwischen 25 und 35 Jahren, die viel Wert auf ihr Äußeres legen.Das sind ganz normale Frauen.
In welchem Fall schicken Sie Frauen nach Hause?
Wenn sie sich Veränderungen wünschen, die lächerlich sind – aber das kommt selten vor. Frauen, deren Labien drei Millimeter hervorstehen, kommen nicht zu mir. Übertriebene Forderungen und allzu radikale Verkleinerungen setzte ich nicht um.
Was ist für Sie zu radikal?
Ich distanziere mich davon, die inneren Schamlippen ganz wegzunehmen, damit es aussieht wie bei einem kleinen Mädchen. Das Ziel ist zwar das, was die Patientin will – deutlich kleinere Labien – aber das Ergebnis soll nicht operiert ausschauen, die normale Anatomie soll erhalten werden.
Haben Sie auch schon Minderjährige operiert?
Ja, aber das mache ich normalerweise nicht. Minderjährige dürfen nur nach einem psychologischen Gespräch und mit der Einwilligung eines Erziehungsberechtigten operiert werden. Meist schicke ich sie auch zum Gynäkologen und zur Krankenkasse. In einigen seltenen Fällen wurden diese OPs dann von der Krankenkasse übernommen.
Wer war Ihre älteste, wer Ihre jüngste Patientin?
Meine älteste Patientin war eine 60-jährige Kollegin, die das schon immer gestört hat. Meine jüngste war eine knapp 17-Jährige, die von ihrer Mutter begleitet wurde.
Die Mutter hat ihre Tochter unterstützt?
Ja, sie sagte bei ihr sehe das ganz anders aus, sie hatte viel Verständnis und meinte die Tochter sei "davon gestresst". Die Mädels genieren sich halt.
Wie stehen Sie persönlich zu Eingriffen bei sehr jungen Frauen?
Das hinterfrage ich. Es ist wichtig, aufzuklären. Wenn ein junges Mädchen in ihrer psychosexuellen Entwicklung durch zu große Labien beeinträchtigt ist, ist der Eingriff vielleicht berechtigt, aber es macht Sinn, viele Gespräche zu führen, auch in Hinblick auf "sich selbst annehmen". Es fällt mir leichter, eine Frau zu operieren, die mit beiden Beinen im Leben steht und sich akzeptiert als eine knapp 18-Jährige. Aber die Mädels sind zum Teil sehr aufgeklärt, wissen was machbar ist, und fordern das sehr selbstbewusst ein.
Woran liegt das?
Das ist ein Zeichen unserer Zeit, und die jungen Frauen wissen: es ist machbar.
Spielen auch Pornos eine Rolle, die ja oft Frauen mit unrealistischem Aussehen zeigen?
Absolut. Es gibt Kollegen, die ganzen Schulklassen die Brüste vergrößern. Das ist absolut zu hinterfragen, denn auch wenn Implantate heute noch so sicher sind: ein Brustimplantat hat immer Konsequenzen. Setze ich bei einer 20-Jährigen Implantate ein, muss ich davon ausgehen, dass ich sie irgendwann wieder operieren muss. Anders bei den Labien: wenn man es nicht übertreibt und nicht zu viel entfernt, ist es ein relativ harmloser Eingriff. Doch wenn ich alles wegnehme, kann es zu Sensibilitätsstörungen kommen, das ist dann ein ständiger Reizzustand.
Wie hoch ist das Risiko bei Schamlippenkürzungen?
Überall wo man hineinschneidet, kann etwas passieren. Nach der OP kommt es oft zu Blutungen, am OP-Tag sollte man Ruhe geben. Manchmal klagen Klientinnen über Juckreiz. Die Wundheilung dauert in der Regel zwei Wochen. Die Nähte lösen sich von selbst auf, müssen aber manchmal entfernt werden. Bei der Bogen-Technik (siehe Wissen), die ich anwende, gibt es fast keine Wundheilungsstörungen.
Wie lange dauert es vom Erstgespräch zur OP?
Bei ästhetischen Eingriffen sind zwei Beratungsgespräche im Abstand von vierzehn Tagen vorgesehen, aber oft sagen Frauen: "Ich tue es nicht für die Schönheit, es tut mir weh." Wenn die Klientin gesundheitliche Gründe vorbringt, reicht ein Gespräch.
Wie gut informieren sich Frauen, bevor sie zu Ihnen kommen?
Über die OP sind die Frauen gut vorinformiert. An ihren Fragen merkt man, dass sie viel im Internet gelesen haben.
Haben Sie das Gefühl, sie tauschen sich mit anderen Frauen aus? Oder sind Labien noch ein großes Tabu?
Es ist ein Tabu. Von der Brust-OP oder der Nasenkorrektur erzählt man der besten Freundin, von der Intimkorrektur nicht.
Beschäftigen sich Frauen vor der OP über die Vielfalt der Vulven?
Glaube ich nicht, zumindest die Jungen eher nicht. Manche Frauen wirken noch sehr unreif und sollten vor der OP noch ein anderes Gespräch führen als das mit einer Chirurgin.
Laut der International Society of Aesthetic Plastic Surgery verzeichnete die Labioplastik 2016 weltweit einen Anstieg von 45 Prozent pro Jahr. Es gibt verschiedene Techniken, um die Schamlippen zu kürzen; Dr. Rejzek entfernt das Gewebe der kleinen Labien meist bogenförmig, der Klitorismantel wird eventuell verkleinert. Der Eingriff erfolgt unter Lokalanästhesie und dauert bis zu zwei Stunden. Literatur, Bilderstrecken und Interviews zum Thema: www.wienerzeitung.at/vulva