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Scharf auf smart

Von Eva Stanzl

Wissen
So ähnlich könnte die Stadt der Zukunft aussehen, mit Sonnenpaneelen auf jedem Dach.
© mens/corbis

Smart Citys stellen die Gesellschaft vor Herausforderungen, die Experten bei den Technologiegesprächen Alpbach erörtern.


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Wien. "Smart City Wien", verkünden Plakate an den Einfahrtsstraßen in die Bundeshauptstadt. Das englische Wort bedeutet klug. Doch wofür rührt die Stadt die Werbetrommel und was ist eine kluge Stadt?

"Der Begriff ,smart‘ wird seit den Neunzigerjahren von Unternehmen in den Energie-, Gebäude- und Informationstechnologien verwendet. Sie bezeichneten damit technologische Innovationen für eine, ihrer Meinung nach, nachhaltige Gesellschaft von morgen", erklärt die Soziologin Nadine Haufe, Dissertantin am Doktoratskolleg Urbane Energie- und Mobilitätssysteme an der Technischen Universität (TU) Wien. Ziel ist eine Stadt, die Energie für Licht, Heizung und Autos nicht nach Herzenslust verschleudert, sondern sich aus erneuerbaren Quellen versorgt und diese sparsam nutzt.

Freilich ist die Vision bisher nur in Ansätzen verwirklicht. Noch gibt es keine gänzlich kluge Stadt. In Wien sind einzelne Viertel, wie die neu erbaute Seestadt Aspern, mit entsprechenden Technologien ausgestattet, nicht aber die Gründerzeithäuser, die den Großteil der Bausubstanz ausmachen. "Der Prozess könnte ab 2030 abgeschlossen sein", sagt Stefan Bofinger, Abteilungsleiter Großräumige Energieverbünde des Fraunhofer-Instituts in Kassel. Wien will 2050 so weit sein.

Der Teufel steckt im Detail

Über Herausforderungen an die Umsetzung diskutieren Experten, wie Haufe und Bofinger, kommende Woche bei den Technologiegesprächen in Alpbach. Im Rahmen der Arbeitskreise "Sozioökonomische Aspekte der Smart City" und "Smart Energy" sollen auch damit verbundene Probleme thematisiert werden. Denn Großvorhaben wie diese lassen sich nicht über Nacht umsetzen, auch zumal diese zunächst hohe Investitionen erfordern. "Zum einen ist es eine Herausforderung, die Gebäude in Richtung smart umzubauen, zum anderen, sie an die Netze anzuschließen", so Bofinger.

Wie bei jedem komplexen System steckt auch bei Smart Citys der Teufel im Detail. Um die große Vision zu verwirklichen, müssen viele, viele kleine Schräubchen gedreht werden, denn jede Kilowattstunde addiert sich zum Gesamtverbrauch. Die Industrie muss ihre Produktion adjustieren. Haushalte müssen "Smart Meter" installieren, die den Verbrauch an die Netzbetreiber berichten, damit diese wissen, wie viel Energie sie liefern müssen. Der Anteil eigener Autos im Verkehr, der am meisten kostet, muss gesenkt werden. Durch jede neue Straße, jede Straßenbahn und jede neue Fußgängerzone ändert sich etwas am Verkehrssystem.

"Manche Verbraucher sind flexibler als andere. Sie stellen ihre Gefriertruhe auf eine energieschonende Temperatur oder fahren mit Bus, Bahn und Fahrrad. Wer aber in der Einöde wohnt, braucht sein Auto", erklärt Bofinger. Erzeuger müssten sich ausrechnen, wie sie tausende Einwohner am besten versorgen: "Es geht um die Koppelung von Strom, Wärme und Energie und eine intelligente Steuerung der Komponenten."

Und wenn die Menschen die neuen Technologien nicht annehmen? Ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit zeigt, dass selbst kleine Veränderungen in die Hose gehen können: So lehnen viele Menschen das fahle Licht der Energiesparlampen ab, empfinden es als Verschlechterung der Lebensqualität.

Wie also würde der Alltag in einer Smart City aussehen? "Das ist, was im Bild fehlt. Wir reden über Technik, doch häufig fehlt der Mensch. Dabei steigt der private Energieverbrauch weiter", erklärt Nadine Haufe, deren Doktoratskolleg im Auftrag der Wiener Stadtwerke Energienutzung und Mobilitätsverhalten der Bevölkerung Wiens erforscht.

Wie gehen Menschen mit der Stadt um? Wie sind sie mobil? Wie verbrauchen private Haushalte Energie? Allen Facetten des Internet-Zeitalters zum Trotz stoßen die Forscher schnell an Grenzen, was das vorhandene Datenmaterial betrifft. "Die Statistiken sagen kaum etwas aus darüber, wie sich der Einzelne verhält", so Haufe. Selbst die Annahme, auf der die Bundeshauptstadt ihr Smart-City-Projekt begründet, wonach Wien 2030 zwei Millionen Einwohner haben werde, sei eine rein statistische Hochrechnung, die jährlich korrigiert wird. Kleinräumige Daten seien überhaupt nur bedingt verfügbar.

"Wenn wir große Veränderungen vornehmen wollen, müssen die Menschen mitmachen. Nicht jede Technik setzt sich durch, bloß weil es sie gibt, sondern sie muss in den Lebenskontext der Menschen passen", erklärt die Soziologin. Man könne keine Smart City verordnen, zumal man nicht einmal wisse, wem.

Max Mustermann gibt es nicht

"Es gibt keinen Max Mustermann, keinen Idealbürger. Sondern wir befinden uns in einer Gesellschaft, die sich zunehmend ausdifferenziert. Das Verhalten der Menschen lässt sich nicht mehr aus Geschlecht, Arbeitskontext oder Alter ableiten, sondern es sind viel mehr Aspekte relevant", stellt Haufe klar. Einzig bei Einkommen und Autobesitz gebe es eine klare Korrelation. Um zu ermitteln, wie Bürger auf die geplanten Neuerungen reagieren würden, wollen die Forscherin und ihre Kollegen bis 2016 eine repräsentative Befragung von Wiener Haushalten durchführen, deren Resultate in die Stadtplanung einfließen sollen.

Ebenfalls offen ist die Frage der Leistbarkeit. "Mangels Erfahrungswerten sind die Kosten der erneuerbaren Energien sind schwierig zu ermitteln. Dennoch kann eine Energiewende bis 2050 gut gehen und der Volkswirtschaft zuträglich sein", sagt Bofinger, und er betont: "Allein in Deutschland kaufen wir um 90 Milliarden Euro fossile Energieträger, die der Volkswirtschaft verloren gehen. Richtig gesteuert, können kleine Unternehmer an der Energiewende verdienen." Prognostizierte Investitionskosten von 1000 Milliarden Euro für die Umstellung könnten sich Bofinger zufolge binnen 30 Jahren amortisieren. Der Experte plädiert dafür, dass Staaten "diese Kosten zwischenfinanzieren, anstatt sie auf heute lebende Bürger abzuwälzen".