Die Bestellung des Öbag-Aufsichtsrates lief laut U-Ausschuss-Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl durchaus korrekt ab - jene von Alleinvorstand Thomas Schmid aber keineswegs. Auch Ex-Finanzminister Hartwig Löger kommt schlecht weg.
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Dass die Umwandlung der ehemaligen Öbib von einer GmbH in die Österreichische Beteiligungs AG (Öbag) grundsätzlich ihren Sinn hatte, darüber bestanden laut Vorab-Bericht zum Ibiza-U-Ausschuss auch parteiübergreifend wenig Zweifel. Wie diese Umwandlung zustande kam und wer über Postenvergaben zu ihren Profiteuren zählte, war in den vergangenen Monaten aber Gegenstand heftiger politischer Auseinandersetzungen. Im Berichtsentwurf von U-Ausschuss-Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl, der der "Wiener Zeitung" vorliegt, wird auf die Umstände der Umwandlung detailliert eingegangen.
Ziel der Neustrukturierung der Staatsholding war, sie in eine Form zu bringen, die es ermöglichte, die in ihr versammelten Staatsbeteiligungen (u.a. Post, Verbund, Casinos Austria, OMV) besser managen zu können, als die verwaltungsorientierte Öbib dies erlaubte. An der grundsätzlichen Ausrichtung der Struktur und der Strategie des Unternehmens wurde im Ausschuss dann auch "keine Kritik laut", heißt es im Bericht. Vielmehr war eine Reform "bereits in der Vorgängerregierung ein vieldiskutierter Punkt, der von der türkis-blauen Regierung aufgenommen wurde."
"Internationale Erfahrung" aus Ausschreibung gestrichen
In die Umstrukturierung zur Öbag zentral involviert war bekanntermaßen ihr späterer Alleinvorstand Thomas Schmid, ÖVP-Mitglied und zum damaligen Zeitpunkt noch Kabinettschef und Generalsekretär im Finanzministerium. Er trat im Juni zurück. Schmid, der Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) freundschaftlich verbunden war, zeigte schon früh Interesse, Vorstand der neu zu schaffenden Öbag zu werden, wie aus dem Bericht hervorgeht. Und mit den Umständen, unter denen das passierte, geht Pöschl scharf ins Gericht.
Schmid habe nicht nur aktiv an der Formulierung des Gesetzestextes der Öbag mitgearbeitet, sondern auch den Ausschreibungstext für seinen späteren Vorstandsposten zu seinen eigenen Gunsten beeinflusst. Das ergebe sich "mit nicht zu überbietender Deutlichkeit" aus diversen Chatnachrichten von Ende 2018, als die Ausschreibung des Vorstands im Finanzministerium vorbereitet wurde.
In den Chats tauschen sich Schmid und eine Kabinettsmitarbeiterin über einen Ausschreibungsentwurf aus, den sie ihm zuvor zugeschickt hat. Darin findet sich unter anderem die Formulierung "Gesucht wird eine international erfahrene Führungspersönlichkeit". "Ich bin aber nicht international erfahren", antwortet Schmid in der Konversation. "Ich habe immer in Österreich gearbeitet." Darauf folgt eine Chat-Diskussion darüber, ob die entsprechende Passage gestrichen oder stattdessen Schmids Bewerbung darauf zugespitzt werden solle. Im finalen Ausschreibungstext ist die Formulierung "internationale Erfahrung" schließlich nicht mehr enthalten.
Objektivität und Transparenz nicht gegeben
Die geforderten Erfahrungen werden zudem auf solche in staatlichen und teilstaatlichen Unternehmen und den öffentlichen Sektor beschränkt. Aus Chats ergebe sich, dass diese Formulierungen "ausschließlich auf Vorschlägen eines Kabinettsmitarbeiters, der damit die Chancen der Bewerbung Schmids fördern wollte" beruhten, so Pöschl.
Entscheidend für ein ordnungsgemäßes Ausschreibungsverfahren seien die Angemessenheit der Zeit, die dafür zur Verfügung steht, die Objektivität, Effektivität und Transparenz des Vorgangs, der schließlich zur Bestellung des Vorstands führen solle, heißt es im Bericht. Die Bewertung im konkreten Fall fällt unmissverständlich aus: "Gegen diese genannten Grundsätze wurde bei Vorbereitung und Durchführung der Ausschreibung [...] mehrfach verstoßen."
So eindeutig die Bilanz des Verfahrensrichters zur Bestellung Schmids ist, so wenig schmeichelhaft fällt dabei auch sein Urteil über die Rolle des damaligen Finanzministers Hartwig Löger (ÖVP) aus. Zwar habe der U-Ausschuss keine Hinweise darauf geliefert, dass Löger sich aktiv für Schmid an der Öbag-Spitze einsetzte. Aufgrund einer parlamentarischen Anfrage im betreffenden Zeitraum müsse er aber gewusst haben, dass Abgeordnete annahmen, Schmid arbeite an der Ausschreibung für den Vorstandsposten mit.
Weil Löger bei seiner Befragung im U-Ausschuss abstritt, Kenntnis über Details der Ausschreibung gehabt zu haben, hält Pöschl fest: Es sei "unglaubwürdig", dass dieser über die Vorbereitungen einer für die Republik so wichtigen Ausschreibung nicht unterrichtet wurde. Seiner Aussage sei aber zu entnehmen, "dass er nicht einmal den Versuch machte, sich zu informiere, um so seiner Pflicht als zuständiger Minister nachzukommen, für ein ordnungsgemäßes, nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Ausschreibungsverfahren zu sorgen".
Kurz: "Immer wieder Brainstorming-Runden"
Mehrere Auskunftspersonen gaben an, dass Löger den Öbag-Aufsichtsrat ausgewählt und bestellt haben soll. Auch Kurz, gegen den die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) im Zusammenhang mit der Bestellung Schmids und des Aufsichtsrates wegen mutmaßlicher Falschaussage ermittelt, gab bei seiner Befragung im U-Ausschuss an, die Entscheidung über die Aufsichtsratsmitglieder sei bei Löger gelegen. Er könne sich allerdings gut vorstellen, dass "es immer wieder Brainstorming-Runden von Löger, von Schmid, vom Nominierungskomitee und von anderen gegeben hat, wer als Aufsichtsrat nominiert werden könnte", so Kurz. Die Vorstellung, dass der Kanzler mit Löger, einem erst seit kurzem in der Politik tätigen Minister, völlige Selbständigkeit bei der Postenbesetzung einräumt, wäre jedenfalls "mit den Erfahrungen des täglichen Lebens unvereinbar", schreibt Pöschl.
Ebenso wenig könne davon ausgegangen werden, dass die FPÖ, insbesondere der damalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache, bei Öbag und Casinos Austria AG (Casag) kein Mitspracherecht bei Postenbesetzungen gehabt habe. Ganz im Gegenteil zeige die "transparent gewordene Arbeit der türkis-blauen Regierung", dass es für Zugeständnisse wie Postenbesetzungen in der Regel eine Gegenleistung gab. Ein "Deal" rund um die Ernennungen von Schmid zum Öbag-Vorstand und von FPÖ-Mann Peter Sidlo zum Vorstandsmitglied der Casag, die kurz nacheinander erfolgten, "erscheint daher zumindest wahrscheinlich", schreibt Pöschl.
Ganz im Gegensatz zur Bestellung des später zurückgetretenen Alleinvorstands Schmid sieht der Bericht in der Bestellung und Auswahl des Aufsichtsrates übrigens keinen problematischen Vorgang. Der Anforderung, dass "bestqualifizierte Personen" entsendet werden sollen, würden die bestellten Aufsichtsräte gerecht. Es handle sich um "Persönlichkeiten, die sich im Wirtschaftsleben sehr bewährt" hätten, ihr jeweiliges Naheverhältnis zu einer der damaligen Regierungsparteien ändere nichts an ihrer Qualifikation. Aufgrund der Wichtigkeit der Positionen im Aufsichtsrat sei es zudem "nicht verwunderlich", dass Kurz und Strache sich als damalige Vorsitzende der Regierungsparteien in die Auswahl der Aufsichtsräte einbrachten, für die der Finanzminister zuständig ist. Das entspreche den üblichen realpolitischen Abläufen, so der Bericht.
Die "Wiener Zeitung" wird die Erkenntnisse des Verfahrensrichters Wolfgang Pöschl zu den diversen Untersuchungssträngen des Ibiza-U-Ausschusses in den kommenden Wochen zusammenfassen.