Staaten wollen keine Kompetenzen abgeben, nur Schutzklausel willkommen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Brüssel. Die Vorschläge von Innenkommissarin Cecilia Malmström für die Reform des Schengen-Systems werden von den Mitgliedstaaten schon zerpflückt, bevor sie überhaupt vorgestellt wurden. Bei der Präsentation morgen, Freitag, ist Malmström daher in der Defensive. Denn die Innenminister von Deutschland, Frankreich und Spanien teilten der Kommission bereits brieflich mit, wie wenig sie davon halten, dass diese künftig über die vorübergehende Wiedereinführung von Binnengrenzen im grenzenlosen Schengenraum bestimmen will.
Bisher liegt das in der alleinigen Kompetenz der Länder, und keine Regierung hat vor, daran etwas zu ändern. "Die Achtung des Kernbereichs der nationalen Souveränität (wie innere Sicherheit) ist für die Mitgliedstaaten von großer Bedeutung", schreiben Hans-Peter Friedrich, Claude Gueant und Antonio Camacho. Eine Schutzklausel gegen Schengen-Mitglieder, die Außengrenzen nicht ausreichend überwachen können, scheint nach Einschätzung von Diplomaten daher auch die einzige Idee, die von Malmströms Gesetzesentwürfen am Ende übrig bleiben dürfte.
Bisher dürfen Mitgliedstaaten Binnengrenzkontrollen vorübergehend einführen, wenn vorhersehbare Großereignisse wie Fußballweltmeisterschaften anstehen oder unvorhergesehene Gefahren wie Seuchen oder Terroranschläge die Grenzüberwachung gebieten. In beiden Fällen haben die meisten Länder kaum Verständnis dafür, künftig die Kommission um Erlaubnis zu fragen. Daran ändern auch der Grenzkontrollstreit zwischen Frankreich und Italien wegen des Migrationsdrucks durch den arabischen Frühling und die verstärkten Zollkontrollen der Dänen nichts.
Die Grenzen zu einem säumigen Schengenland in Randlage temporär wieder hochziehen zu dürfen, wollen als "allerletzte Möglichkeit" - also nach einer Reihe formeller Verwarnungen - aber auch die drei Briefschreiber. Bei der Aktivierung dieser Schutzklausel wollen die Staaten jedoch mehr mitreden, als Malmström sich das vorstellt.
Debatte um Rumänien und Bulgarien
Die Idee dafür geht auf eine deutsche Anregung zurück, nachdem Griechenland vor einem Jahr nicht mehr in der Lage war, seine Grenze zur Türkei zu kontrollieren. Willkommen war das Konzept auch in der Diskussion um die Schengenbeitritte von Bulgarien und Rumänien. Darüber gibt es derzeit hitzige Debatten unter den EU-Botschaftern. Denn das EU-Vorsitzland Polen will beim Innenministertreffen nächste Woche einen Kompromiss für einen stufenweisen Wegfall der Grenzkontrollen zu den jüngsten EU-Ländern durchbringen. Die Niederlande legen sich weiter quer.