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Schärfere Spielregeln in Lebensmittelindustrie

Von Ruth Hütthaler-Brandauer

Wirtschaft

Ab Februar gilt neue EU-Regelung. | Enger Spielraum für Hersteller. | Wien. "Stärkt die Abwehrkräfte" oder "Gut bei Husten und Heiserkeit" - solche und ähnliche Formulierungen auf Zuckerlpackungen oder Fruchtsaftgetränken könnten in Zukunft verboten sein. Grund ist eine neue EU-Regelung: Diese sogenannte Claims-Verordnung verbietet jegliche nährwert- und gesundheitsbezogene Werbung bei Lebensmitteln. Für Hersteller und Vertreiber von Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln gelten also künftig strengere Spielregeln. Die Verordnung tritt mit 7. Februar in Kraft und ist fünf Monate später direkt in den Mitgliedsstaaten anzuwenden.


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Strenge Nährwertprofile und Gemeinschaftsliste

Die Verordnung sieht vor, dass innerhalb von 2 Jahren einerseits Nährwertprofile geschaffen werden, die klar festlegen, welche Lebensmittel in ihrer Zusammensetzung überhaupt so beschaffen sind, dass sie gesundheitsbezogen beworben werden dürfen.

Andererseits wird eine Gemeinschaftsliste gesundheitsbezogener Angaben geschaffen, die die Bedeutung eines Nährstoffs oder einer Substanz für Wachstum, Entwicklung und Körperfunktionen beschreiben. Der Hersteller muss grundsätzlich aus dieser Liste auswählen. Will er gesundheitsbezogene Angaben machen, die nicht auf der Liste aufscheinen, hat er das in einem aufwändigen und langwierigen Verfahren zu beantragen. Der Antrag ist zwar im jeweiligen Mitgliedsstaat zu stellen, er wird dann aber der europäischen Gesundheitsbehörde weitergeleitet. Es müssen wissenschaftliche Studien zum konkreten Produkt und der Berechtigung der beantragten Angabe vorgelegt werden, an welche voraussichtlich sehr hohe Ansprüche gestellt werden. So lange es die Liste nicht gibt, bleiben bisher zulässige gesundheitsbezogene Werbeaussagen gültig, ausgenommen solche für Kinder.

Die Verordnung sieht auch die zusätzliche Verpflichtung der Hersteller vor, bestimmte Angaben auf der Verpackung anzubringen, wenn gesundheitsbezogen geworben wird. So wird auf die Bedeutung einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung und einer gesunden Lebensweise hinzuweisen sein, weiters darauf, wie viel zu konsumieren ist, um eine behauptete positive Wirkung zu erzielen. Gegebenenfalls werden Warnhinweise für Personen, die das Produkt nicht verzehren sollen, notwendig sein oder Hinweise, dass ein übermäßiger Verzehr eine Gesundheitsgefahr darstellt.

Zweieinhalb Jahre Schonfrist

Die Verordnung enthält komplizierte Übergangsbestimmungen. Bisher nach der bestehen Rechtslage gekennzeichnete Packungen dürfen - vorausgesetzt sie sind so lange haltbar - noch rund zweieinhalb Jahre unverändert in Verkehr gebracht werden. Auch Marken sind von der Verordnung betroffen. Bei jenen, die vor dem 1. Jänner 2005 bestanden haben, muss eine auf der künftigen Liste aufscheinende gesundheitsbezogene Angabe beigefügt werden, wenn der Markenname einen entsprechenden Gesundheitsbezug hat. Hier gibt es aber eine Übergangsfrist von 15 Jahren.

Durch die Erstellung von Nährwertprofilen wird in "gute" und "schlechte" Lebensmittel unterschieden. Nur bei positivem Nährwertprofil werden nährwertbezogene Angaben wie "hoher Gehalt an Vitamin C" zulässig sein. Wenn beispielsweise ein zu hoher Zuckergehalt dazu führt, dass ein Vitaminzuckerl nicht dem Nährwertprofil entspricht, wird auf den hohen Zuckergehalt sichtbar hinzuweisen sein.

EuGH hatte früheres Verbot aufgehoben

Eine dem EU-Verbot ähnliche Regelung hatte es - wenn auch in abgeschwächter Form - bereits im alten österreichischen Lebensmittelrecht gegeben. Demnach war gesundheitsbezogene Werbung für Lebensmittel, zu denen auch die modern gewordenen Nahrungsergänzungsmittel wie Vitamin- oder Mineralstoffprodukte gehören, verboten. Über ein Antragsverfahren beim Gesundheitsministerium konnte gesundheitsbezogene Werbung aber mit Einzelbescheid genehmigt werden. Das geschah auch vielfach, und es durften Etiketten wie "Gut bei Husten und Heiserkeit" oder "stärkt die Abwehrkräfte" verwendet werden.

Die Regelung war vom Europäischen Gerichtshof als gemeinschaftsrechtswidrig eingestuft worden, weil im europäischen Recht nur krankheitsbezogene und irreführende Werbung verboten ist. Das österreichische Gesetz wurde daraufhin novelliert. Nun hat der europäische Gesetzgeber Jahre später nach einem langen Rechtsfindungsprozess weit Schlimmeres geschaffen.

Mit der Claims-Verordnung kommt auf die Lebensmittelindustrie, speziell aber auch auf die Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln, die ja gerade das Gesundheitsbewusstsein ansprechen wollen, ein völliges Umdenken zu: Während man seit Aufhebung des Verbotes gesundheitsbezogener Werbung in Österreich durch den Europäischen Gerichtshof in Eigenverantwortung werben durfte und nur die Grenze zur krankheitsbezogenen, also arzneilichen Werbung nicht überschreiten durfte und natürlich nicht irreführend werben durfte, wird man in Hinkunft mit einem grundsätzlichen Verbot konfrontiert. Der Werbespielraum ist dadurch stark eingeschränkt.

Die Autorin ist Expertin für Lebensmittelrecht und Rechtsanwältin in Wien.