Seit das überarbeitete schwedische Pensionssystem 2001 eingeführt wurde, hat es Investitionsverluste in der Höhe von 15,4 Mrd. Euro eingefahren. Das sind 22% des Gesamtumfangs der Pensionen - kein Grund zur Beunruhigung, versichern die pensionsauszahlenden Stellen und Politiker, obwohl die Nationale Schwedische Pensionsbehörde (RFV) eine Kampagne startet, um die Bedenken der Bürger abzubauen.
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Die schwedische Pensionsreform wurde - als Teil eines EU-weiten Reformprogramms - darauf ausgerichtet, die Liquidität der pensionsauszahlenden Stellen zu garantieren. Das war von oberster EU-Ebene gefordert worden. Es sollte dabei jegliche Gefahr, dass die Regierung das Pensionssystem möglicherweise stützen muss, ausgeschaltet werden. Dieser Teil der Voraussetzungen wurde erfüllt. Das neue Pensionssystem enthebt die schwedische Regierung jeglicher Verantwortung, es ist allerdings jetzt für Pensionsbezieher oder solche, die es noch werden, unmöglich, die Höhe ihrer Pension genau zu ermitteln.
20 Mrd. Euro an die Börse
Im vorherigen System waren die Pensionsansprüche von Arbeitern und Angestellten absolut sicher und vorhersagbar. Heute hängen sie von einer Reihe von demografischen und ökonomischen Faktoren ab - inklusive dem Aktienmarkt, woher auch die Verluste des Pensionssystems stammen.
Mit Regierungsunterstützung wurden bei der Pensionsreform rund 60% der Pensionsanleihen in Aktien angelegt. Von Gesetz wegen wären auch 70% erlaubt gewesen. Sehr locker wird in Schweden auch das Investieren in ausländische Wertpapiere gehandhabt. Grob geschätzt wurden 20 Mrd. Euro - angeregt durch den Optimismus der Regierung - von sicheren Wertpapieren innerhalb des ersten Veranlagungsjahres auf den Aktienmarkt transferiert. Aber die EU-Empfehlungen kamen zur falschen Zeit, die Investitionen an der Börse fielen genau in den Zeitraum, in dem die Technologie-Seifenblase platze.
Die Investitionen lagen in Höhe der Überschüsse der Pensionsfonds, die für die Sicherung der bestehenden Pensionsansprüche gebraucht wurde und wird. Die demografische Entwicklung sowie die trotz gegenwärtiger Verluste guten wirtschaftlichen Eckdaten hätten rein mathematisch die Pensionen absichern sollen. Aber der Babyboom der 1940er Jahre wird das System voraussichtlich ab 2007 einholen und überschüssige Pensionsmittel versiegen lassen.
Antrittsalter wird steigen
Befürchtet wird, dass die Pensionen nun "übergangsweise" gekürzt werden, um die Lücke zwischen den vorhandenen und den benötigten Mitteln auszugleichen. Schon vor zwei Jahren hat der frühere Generaldirektor der RFV, Scherman, davor gewarnt, dass solche Kürzungen 69% der Pensionsbezieher betreffen könnten. Im jetzigen System wird die jeweilige Pensionshöhe sowohl von der kollektiven als auch der individuellen Basis bestimmt. Auf der kollektiven Seite werden die nationale Geburtenrate, das Wirtschaftswachstum sowie die Arbeitslosenrate für die Berechnungen darüber herangezogen, wie viel Geld zur Verfügung steht und auf wie viele Menschen es aufgeteilt werden muss. Hochgerechnet wird dazu der Einkommensverlauf des Einzelnen, woraus sich die zukünftige Pensionshöhe ergibt. Zusammengenommen sollen diese Mittel vom sogenannten Primier Pension System (PPM) kommen. Im PPM können alle Beschäftigten Schwedens in bis zu fünf von 450 verschiedenen Anlagefonds 10% ihres Pensionsbeitrags investieren. Über 10 Mrd. Euro sind bisher in das PPM einbezahlt worden, ihr heutiger Bilanzwert beträgt allerdings nur 6.5 Mrd. Euro. Und die insgesamt vier allgemeinen Pensionsfonds, für die Schweden zur Abfederung der erwarteten "Baby-Boomer-Pensionen" 61,5 Mrd. Euro bereitgestellt hat, weisen heute insgesamt nur 49,2 Mrd. Euro aus. Weil das neue System nun das Lebenseinkommen als Berechnungsgrundlage heranzieht - und nicht wie im alten System nur die besten 15 Jahre - wird prognostiziert, dass sich das Pensionsantrittsalter erhöhen muss. Diese längeren Arbeitszeiten werden auch dem Pensionssystem zugute kommen, da mehr Pensionsbeiträge einbezahlt werden und die Mittel länger angelegt bleiben.
Laut Scherman wäre es ein "wesentlich ehrlicherer Ansatz, offen zu sagen, dass die Menschen jetzt bis 67 oder 68 arbeiten müssen". Oder, wie ein vorläufiger Bericht der EU- Kommission über das Pensionssystem dazu sagt: "Die völlige Umstrukturierung der Pensionssysteme in Schweden und Italien hat in hohem Maße den Arbeitsanreiz und die Beschäftigungsfreundlichkeit des Pensionssystems gestärkt".
Übersetzung: Barbara Ottawa