Demograf Tomá Sobotka im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" über die jüngste Bevölkerungsprognose der Statistik Austria.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Österreichs Bevölkerung wächst. Bereits in fünf Jahren werden neun Millionen Menschen in Österreich leben, bis 2080 sollen es zehn Millionen sein. Das geht aus einer Bevölkerungsprognose hervor, welche die Statistik Austria am Donnerstag veröffentlicht hat. Sie beruht auf Annahmen über die Geburtenrate, Sterbefälle, internationale Zuwanderung und Lebenserwartung.
Bis auf Kärnten werden alle Bundesländer an Bevölkerung gewinnen. Das stärkste Wachstum wird im Osten erwartet. Wien soll bereits 2026 zwei Millionen Einwohner haben. Angetrieben wird das Wachstum durch die internationale Migration. Ohne diese würde Österreich laut Statistik Austria 2080 bei 6,6 Millionen Einwohnern liegen.
Derzeit beobachtet die Statistikbehörde mehrere Trends: Einerseits altert die "Baby-Boom"-Generation, wodurch es zu einem starken Anstieg bei den über 65-Jährigen kommt. Anderseits verschiebt die Migration den zu erwartenden Rückgang der Bevölkerung im Erwerbsalter zwischen 20 und 65 Jahre um einige Jahre.
So stark wie bisher angenommen wird die Migration nicht ansteigen. 2015 wuchs die Bevölkerung durch Migration um 113.100 Menschen. Das sei ein Ausnahmejahr gewesen, heißt es seitens der Statistikbehörde. 2016 waren es nur mehr 64.700 Menschen.
"Die Schätzungen der Statistik Austria neigen dazu, relativ konservativ zu sein", sagt der Demograf Tomá Sobotka zur "Wiener Zeitung". Der Wissenschafter leitet im "Wittgenstein Centre" in Wien eine Forschungsgruppe zu "Fertilität und Familie".
"In der Vergangenheit tendierten die meisten Prognosen dazu, die Migrationsbewegungen zu unterschätzen. Unter zwei Voraussetzungen werden die Migrationszahlen innerhalb der nächsten zehn Jahre vermutlich höher sein, als von der Statistik Austria angenommen: Österreich muss sich wirtschaftlich gut entwickeln, und Bürgern aus anderen europäischen Ländern wird die Migration nach Österreich nicht erschwert."
Höhere Geburtenrate
Die Statistik Austria geht davon aus, dass die Geburtenrate bis 2080 leicht ansteigen wird - von derzeit 1,53 Kinder pro Frau auf 1,6. "Junge Paare haben ihre Kinderwünsche vielfach aufgeschoben. Diese Kinder werden jetzt nachgeholt", sagte Alexander Hanika, der die Prognose erstellt hat. Sobotka hält diese Einschätzung für durchaus plausibel, meint aber: "Es macht in der Fertilitätsrate nicht wirklich den großen Unterschied."
Größere Unterschiede sieht Sobotka in einem anderen Bereich. "Wir haben 2016 einen Anstieg der Fertilitätsrate bei Frauen mit Migrationshintergrund wahrgenommen. 2013 lag sie bei 1,8 Kindern pro Frau, bis 2016 sprang sie dann auf 1,96 hoch. Das hängt vermutlich zum Teil mit der Flüchtlingskrise zusammen. Frauen aus Afghanistan und Syrien haben meist mehr Kinder als Frauen mit einem anderen Migrationshintergrund."
Generell passe sich die Fertilitätsrate von Zuwanderern den lokalen Bedingungen an - meist in der nächsten Generation. "Ihre Kinder tendieren dazu, signifikant geringere Geburtenraten zu haben. Es gibt aber Unterschiede. Manche Zuwanderer kommen aus osteuropäischen Ländern, in denen die Geburtenraten noch niedriger als in Österreich sind. Andere kommen aus Staaten, in denen es üblich ist, viele Kinder zu bekommen."